Galater 2, 16-21
Doch weil
wir wissen, daß der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern
durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus
Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und
nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch
gerecht.
(17)Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, auch
selbst als Sünder befunden werden – ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das
sei ferne!
(18)Denn wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, dann mache ich
mich selbst zu einem Übertreter.
(19)Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich
bin mit Christus gekreuzigt.
(20)Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt
lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt
hat und sich selbst für mich dahingegeben.
(21)Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn die Gerechtigkeit durch das
Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.
Liebe
Gemeinde,
welcher
„Rote-Ampel-Typ“ sind Sie? Also, stellen Sie sich vor, Sie kommen als Fußgänger
oder Fußgängerin an eine rote Ampel, kein Auto da, kein Auto zu sehen. Wie
verhalten Sie sich?
a. Sie warten – natürlich, selbstverständlich – auf Grün.
b. Sie schauen vielleicht noch mal nach rechts und links, kein Auto in Sicht,
also los, es wird schon nichts passieren.
c. Sie warten, aber nur, wenn Kinder dabei oder in der Nähe sind.
Bitte das Ganze jetzt nur als Beispiel, könnte sonst auch gefährlich werden.
Für Leib und Leben, oder auch für das Portemonnaie. Rot ist nicht nur die Farbe
der Liebe, kann auch der Auslöser für Bußgeld und Punkte sein. Auf der anderen
Seite, gerade diese Erwitter Kreuzung hier, da hat man ja so manches Mal das
Gefühl, dass die Rente schneller kommt als das Grün.
Und
übrigens, wenn man hinterm Steuer sitzt, dann sieht das Ganze schon wieder ganz
anders aus. Da ist man in der Regel viel vorsichtiger und gesetzeskonformer.
Meist. Wobei es allerdings ein Trugschluss wäre zu behaupten, dass das Auto die
Leute zu besseren Menschen macht.
Aber und
also, bleiben wir mal bei den Fußgängern. Denn, es geht im Predigttext, es geht
in diesen Sätzen des Apostels um Rechtfertigung und die sogenannte
Rechtfertigungslehre. Hohe Theologie also. Wobei es in diesem Fall um einen
Streit geht, der die ersten Gemeinden damalsin diverse Ampeltypen zu spalten
oder zu zerreißen drohte. Und da gab es eben verschiedene „Rote-Ampel-Typen“, und
das Bild vom Fußgänger kann beim Verständnis helfen.
Ausgangspunkt
oder Kernpunkt des Streits waren die jüdischen Gesetze, also die Gebote und die
Verbote des Alten Testaments. Z. B. das Einhalten bestimmter Speisevorschriften.
Kein Schweinefleisch. Niemals Fleisch und Milch zusammen auf den Tisch. Damit
auch kein Cordon Bleu, Schinken und Käse geht dann ja nun wirklich nicht. Oder Sabbath-Gebote. Nichts tun, absolut nichts.
Kein Fahren oder Reisen, kein Essen-Kochen, nicht mal was tun dürfen gegen
Zahnschmerzen. Von der Rolle der Frau oder vom Ablehnen jeglichen Kontakts zu
Andersgläubigen gar nicht erst anzufangen. Und noch eine Menge mehr Gebote und
Verbote. Und da die ersten Christen z. T. auch eine jüdische Vergangenheit
hatten, gab es dann bei den Christinnen und Christen im Großen und Ganzen 3
„Ampel-Typen“.
a. Die bedingungslosen Befolger oder Gehorcher, die sagten: Auch als
Christinnen oder Christen habt ihr diesen religiösen roten Ampeln, diesen
Gesetzen, ihr habt denen absolut und ohne Ausnahme zu gehorchen. Punkt. Sonst
habt ihr keine Chance bei Gott. Sünder. Leben verpfuscht. Das Heil verwirkt.
b. Die – so nenne ich sie mal – Gesetzlosen oder Anarchisten, und die sagten: Wieso?
Christus hat uns von den Gesetzen befreit. Christus hat uns bedingungslos
angenommen. Auch als Sünder, auch als die, die immer wieder gegen die Gebote
verstoßen haben und verstoßen. Also, Gesetze hin, Gesetze her, vor Gott können
wir sowieso aus eigener Kraft nicht bestehen. Und wenn er uns ohne eigenes
Verdienst gerecht spricht, dann hat er uns von allen Zwängen befreit. Also was
sollen dann noch die Ampeln oder Gesetze?
c. Die Kompromiss-Typen: Ja, Christus hat uns befreit. Aber mit dieser Freiheit
sollen wir so umgehen, dass andere dabei keinen Schaden nehmen. Das ist der,
der an der Ampel Rücksicht nimmt auf Kinder.
Doch bevor
ich jetzt den Apostel Paulus einer dieser Gruppen zuordne, erst einmal oder
noch einmal grundsätzlich zur Rechtfertigungslehre. Denn darum – seit der
Reformation – geht es zentral, immer wieder, auch für uns. Und gerade in Zeiten
wie diesen, wo es unendlich wichtig ist, sich daran zu erinnern und es
rauszustellen. Auch rauszustellen, denn das hat damit zu tunwie gut unser
Glaube ist und tun kann. Wie wichtig er für das Leben ist, soll das keine
Löwengrube werden.
Als die
Apostel damals in alle Welt gingen, um das Evangelium zu predigen, um die
Menschen für Jesus zu begeistern und sie zu taufen, denken Sie an den
Taufbefehl, da redeten sie natürlich auch von Gott. Doch viel zu oft, wenn das
Wort Gott fiel, da zuckten die Menschen zusammen. Denn sie hatten Angst. Vor
Gott musste man sich fürchten. Was anderes kannten sie nicht.
Sie mussten
dran glauben, diese Doppeldeutigkeit, die kann man da durchaus ansetzen. Denn
die Götter waren alles, die Menschen waren nichts. Die Götter waren groß und
erhaben, und die Menschen ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und die
Menschen krochen im Staub, die mussten alles tun, um die Götter bei Laune zu
halten, und wenn es mal gut ging, dann hatten sie halt Glück gehabt. Kismet,
heißt das heute manachmal. Oder Inschallah. Wer möchte, kann da gern mal Parallelen
zu heutigen großen und wie ich finde immer noch Gehorsamsreligionen ziehen. Die
Götter, die waren sich selbst genug, und die Menschen, die waren für die Götter
da, sonst nichts. Ihr Schicksal war egal.
Wie kann man
bei Göttern, die immer nur fordern und wenig wenn überhaupt etwas geben, wie
kann man da ein positives Gottesbild entwickeln? Da kann man sich nur
verstecken.
Und dann
hörten die Menschen von Jesus und von Gott, seinem Vater. Und wie er ihn gelebt
und von ihm erzählt hat. Von einem Gott, der die Menschen gern hat, dem sie am
Herzen liegen. Der für sie da sein will, sie fördern und in die Lage versetzen
will, ihr eigenes Leben in Glück und Zufriedenheit zu leben. Ein Gott, der auf
ihrer Seite stand, bis zum letzten Blutstropen am Kreuz solidarisch mit ihnen.
Und das alles aus Güte oder Gnade. Ein Gott, der keine Leistungen forderte,
sondern Liebe gab. Und Liebe stellt keine Bedingungen.
Und wenn das
der Allmächtige war und dazu noch solch ein wirklich guter Hirte, dann fragten
sie natürlich: Was muss ich tun, was muss ich leisten, um auch zu diesem Jesus,
zu diesem Gott zu gehören, der mich hütet wie seinen Augapfel. Und die Antwort
war: Tun und leisten müsst Ihr gar nichts. Braucht Euch seine Liebe nicht zu
erwerben. Die ist schon da. Aber ihm vertrauen, ihm glauben, das sollt ihr. Und
das ist alles. Diese Liebe und Güte einfach annehmen.
Die
Befreiung von aller Selbstrechtfertigung und von aller Leistungs- und
Bringeschuld Gott gegenüber. Das ist die Rechtfertigungslehre. Ich bin nicht gut oder wertvoll oder
anerkannt, weil ich so viel bin und kann und leiste, sondern, weil Gott mich
groß und stark macht. Ohne mein Dazutun, auch ohne die Werke des Gesetzes.
Nach 2000
Jahren und 2000 Jahren Christentum müssten wir dann ja eigentlich von solchen
Göttern und Gesetzen befreit sein. Bei den religiösen mag das sein, wer hält
sich noch ans Sonntagsgebot z. B., aber das hat andere Gründe. Aber ansonsten? Götzen
und Götter, Ansprüche, denen wir zu genügen haben ohne Ende. Und wenn nicht:
Rote Karte, Ende mit dem Lebensberechtigungsschein.
Alt und
Alter heutzutage. Will keiner sein. „Die verprassen doch nur ihre Rente.“ Außer
als Erbonkel überflüssig bis unbrauchbar.
Krank, oder
auch noch alt und krank. Das stört, damit will man wenig bis nichts zu tun
haben. Bringen nichts und kosten auch noch.
Unsportlich
oder unansehnlich. Da kann man sich doch nur verstecken.
Arm, oder
nur ein 400€-Job, schon fast wie aussätzig.
Neben der
Mode und Rumlaufen. Also z. B. sich nicht in eine Steppjacke zwängen lassen,
weil man nicht aussehen möchte wie das Michelin-Männchen. Da sagen doch die
anderen: Die laufen ja rum wie Schluffen Paul oder Schlörs Minna. Da geht die
Welt aber auf Abstand.
Die Kinder
nur auf der Haupt- oder Gesamtschule. Da denken die ersten daran, den Eltern
den Erziehungsberechtigungsschein abzunehmen.
Genug der
Beispiele. Nein, wir sind nicht von der Macht dieser Götter und Gesetze
befreit, die bei Nichtbefolgen oder Nichtgenügen den Daumen senken.
Und da sagt Paulus: Halt. So geht das nicht. Dieser Druck, das
macht Euch kaputt. Und Gott, Christus macht euch und euer Leben heile. Tun und
leisten müsst Ihr gar nichts. Braucht Euch seine Liebe nicht zu erwerben. Die
ist schon da. Und noch einmal: Ich bin nicht gut oder wertvoll oder anerkannt,
weil ich so viel bin und kann und leiste, sondern, weil Gott mich groß und
stark macht. Und dazu noch sagt: „Denn ich bin mit dir, und niemand soll sich
unterstehen, dir zu schaden.“Ohne mein Dazutun, auch ohne die Werke des
Gesetzes. Der Götter und Gesetze, wie immer sie heute sind oder heißen.
Aber, und damit bin ich wieder am Anfang, Paulus gehört
trotzdem nicht zur Gruppe der liberalen Gesetzesverweigerer oder sogar der – na
ja – Anarchisten. Weil er zum einen weiß: Es gibt auch noch andere Gesetze und
Gebote und Abmachungen. Nicht so wie gerade aufgezählt, sondern sinnvolle,
menschliche und menschenfreundliche. Und weil er zudem weiß: Man muss nicht
alles tun und machen, nur, weil man es gerade kann, oder weil es eben nicht
verboten ist. Weil, wenn jeder macht, was er will oder kann, weil es bei so
etwas eben nicht nur Genießer und Gewinner, sondern vor allem auch Verlierer
und zu kurz Gekommene gibt. Siehe die Beispiele von vorhin. Darum noch mal: Man muss nicht
alles tun und machen, nur, weil man es gerade kann, oder weil es eben nicht
verboten ist.
Und deshalb zählt sich Paulus aus gutem Grund zur 3. Gruppe
der „Rote-Ampel-Typen“, zu denen, die Rücksicht nehmen. Die Rücksicht auf die
Kinder, auf die Kleinen und Schwachen nehmen. Denen die besondere Zuneigung und
Fürsorge Gottes gilt. Wo seine, wo meine Freiheit ein Ende hat, damit andere
keinen Schaden nehmen und geschützt bleiben.
Das ist
richtig verstandene Rechtfertigung.
Und mir und
uns sollte das leicht fallen – weil wir angenommen sind und bleiben, und das
allein ist wichtig und zählt.
So sei es.
Oder auf Griechisch: Amen