Ostern 2017 – Bad Westernkotten

Liebe Gemeinde,

gibt man bei Google, dieser großen Suchmaschine im Internet, gibt man da Ostern ein, dann kommt – man kann es sich fast denken – Werbung. Werbung ohne Ende. Mit Vorliebe für Süßes und vor allem Deko. Und womit man da alles gerade zu Ostern Haus und Garten verschönern oder verschandeln kann, das ist schon beachtlich. Aber wenigstens da gibt es noch Hasen. Die in der Feldflur ja schon fast ausgerottet sind. Nur, wer will und kann auch in der Gülle wohnen? Und gibt man Ostern 2017 ein, dann kommen entweder Ferientermine oder das Wetter. Da weiß man, was wirklich wichtig ist. Und was an Ostern zählt. Aber Gottesdienst oder Jesus oder gar Auferstehung, Osterfreude, Fehlanzeige. Als wenn es an den Leuten spurlos vorbei geht. Das „Fröhlich“ in „Fröhliche Ostern“ dabei ziemlich kommerziell plattgemangelt. Und nichts, und das finde ich am Bedauerlichsten, nichts, was einen angesichts der ganzen Ereignisse allein der letzten Woche von Dortmund über den Nahen Osten bis Nordkorea irgendwie hoffen oder aufatmen lässt. Oder sogar fröhlich werden.

Aber schaut man sich das erste Ostern an, damals, vor fast 2000 Jahren in Jerusalem, dann hat man bei der Haltung der Leute einen ähnlichen Eindruck. Im Blick auf Osterfreude. Denn, auch gerade angesichts der Vorgeschichte mit der ganzen Passion und nicht zuletzt dem Karfreitag, ja, da denkt man doch, mit der Auferstehung Jesu ist alles wieder gut, alle freuen sich, und jetzt kann das Leben noch einmal ganz von vorn und ganz neu anfangen. Und dann glauben das seine Jünger und Anhänger nicht. Zuerst kommt Maria von Magdala, sie ist dem Auferstandenen begegnet, erzählt es ihnen. Und sie, sie klagen und weinen weiter. Dann kommen die beiden Emmaus-Jünger. Auch sie haben Jesus gesehen, er ist ein Stück mit ihnen gegangen, aber am Anfang, da will das weder in den Kopf noch in das Herz. Dann ist da der sogenannte ungläubige Thomas, der der ganzen Sache sowieso nicht traut, denn der ist ja Realist. Und noch mal – bei Johannes nachzulesen – Jünger am See Genezareth, nach Ostern, resigniert und mit der einzigen Frage, ob sie den Kopf nun ins Wasser oder in den Sand stecken sollen. Von der Hoffnung auf Gott, auf einen neuen Anfang und einen neuen Himmel und eine neue Erde, keine Spur.

Auf den ersten Blick also, nicht viel besser als bei uns. Obwohl sie näher dran sind. Nichts mit Glaube an die Auferstehung. Aber ich hoffe, und deswegen sind wir doch auch hier im Gottesdienst, es geht Ihnen und Euch wie mir. Das ist mir zu wenig. Damit will ich mich um Jesu willen nicht abfinden. Und will Ostern weder den Dekorateuren noch dem Meteorologen und dem Tourismus überlassen. Und schon lange nicht den Verbrechern, denen kein Menschenleben mehr heilig ist.

Aber, können wir das denn heute mit der Auferstehung glauben angesichts unserer komplizierten Welt? Denn Ostern, das heißt doch, dass nun alles anders, alles besser wird. Gegen unsere alltägliche Erfahrung, dass sich jeder selbst der Nächste ist, steht die Behauptung, dass einer die Lasten anderer trägt, dass einer etwas tut, was anderen zugutekommt. Gegen die herrschenden Verhältnisse steht die Behauptung von Ostern, dass sie verbesserlich sind. Gegen den Tod, den großen wie den kleinen, die Gewissheit, dass der liebe Gott da noch mehr als ein Wörtchen mitzureden hat. Und dagegen zu reden hat.

Gut wir sind hier. Schon mal was. Denn Kirchgang zu Ostern ist ja nun auch keine Selbstverständlichkeit mehr. Und wir, wir hören diese Botschaft. Aber wir kennen zugleich eben auch die Realität. Und die Realität ist ein Stein, genauso schwer oder noch schwerer zu bewegen als der eine berühmte Stein vor dem Felsengrab. Und ich muss das alles heute Morgen hier nicht aufzählen. Von der Welt, die uns nicht nur an manchen Tagen vorkommt wie ein einziger Karfreitag, bis hin zu dem, was unser kleines Leben schwer und unsere kleine Seele schwermütig macht.

Was stimmt also? Das Bibelwort von der Auferstehung, dass alles neu wird und noch viel mehr als das? Oder die profane Erfahrung, die besagt: Jeder stirbt für sich allein, und alles bleibt beim Alten? Das Versteinerte, Unverrückbare, Kalte. Also: Ab in die Mottenkiste mit der Ostergeschichte. Oder ist und bleibt sie doch das Vorwort zu Gottes neuer Welt. Und damit auch unserer?

Ja, natürlich, eindeutig. Was denn sonst? Und ich kann das nicht beweisen und belegen, will es auch gar nicht. Aber ich will mehr als nur dran glauben, dass diese Welt ihren Endzustand noch nicht erreicht hat. An Ostern und die Auferstehung will ich mich halten. Diesen Protest gegen die Unverbesserlichkeit der Welt, gegen den Rückzug ins Private und gegen die ständig behaupteten Sachzwänge. Denn, Glaubende können sich seit Ostern mit der vorgeblich unveränderlichen Realität nicht mehr abfinden. Gerade weil die Welt kompliziert ist, sind Zweifel angebracht. Manchmal bedeutet Glaube einfach nur Zweifel an der Unverbesserlichkeit dieser Welt.

Und wenn ich oben mit den biblischen Ostergeschichten angefangen habe, genau diese Geschichten brauche ich dazu. Und sie machen mir Mut, den allgegenwärtigen Tod im Großen wie im Kleinen eben nicht hinzunehmen, und sie geben mir Mut, die dauernden Karfreitage eben nicht als unabänderlich zu akzeptieren.

Diese Geschichten von den Jüngern, die sich erst verstecken, den Marias nicht glauben wollen, und sich dann doch raustrauen mit ihrer Hoffnung und ihrer Botschaft, und diese Welt an mehr als einer Stelle mehr als nur umkrempeln.

Die Emmaus-Jünger, die noch in der Nacht zurückrennen, weil die Nacht der Welt ihren Schrecken verloren hat.

Der sogenannte ungläubige Thomas, der letztlich die Beweise nicht braucht, der nur auf ein Wort hin weiß, wer der Herr dieser Welt ist.

Und die Jünger am See Genezareth, die dann aufbrechen, weit über ihren engen Horizont hinaus, und die zu Menschenfischern werden, derentwegen nicht zuletzt auch wir heute hier sind. Auf dass uns das Leben nicht tot, aber der Tod uns lebendig vorfinde.

(Und übrigens: Ich finde, dass auch die Geschichte von der Geburt Eures Kindes, wo alles plötzlich nicht nur überraschend und anders wurde, sondern wo so viele Leute Euch mit Wohlwollen begegnet sind, sich gefreut haben und auch geholfen, und wo natürlich auch das eine oder andere Augenzwinkern dabei war, ich finde, dass auch diese Geschichte in diese Reihe hineinpasst. Anmerkung: In diesem Gottesdienst wurde ein Kind getauft, dessen Ankunft in dieser Welt und der Familie für alle ziemlich überraschend war.)

Da merke ich: Da ist was dran, am Bibelwort von der Auferstehung, dass alles neu wird und noch viel mehr als das. Und es lohnt, dem zu glauben und zu trauen. Denn der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

Amen