Jes. 6 (Trinitatis 2011)
In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel. (2)Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie. (3)Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! (4)Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch. (5)Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen. (6)Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, (7)und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. (8)Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich! (9)Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! (10)Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. (11)Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt. (12)Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, so dass das Land sehr verlassen sein wird. (13)Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.
Liebe Gemeinde,
eine Meldung aus dem Internet:
„Brüssel (dpo) – Schluss mit leeren Versprechungen! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Grundsatzentscheidung verfügt, dass Glaubensgemeinschaften wie die evangelische und die katholische Kirche für die unerfüllten Gebete ihrer Anhänger aufkommen müssen. Andernfalls drohen ihnen Sanktionen bis hin zur sofortigen Schließung wegen „unlauteren Wettbewerbs“. In dem wegweisenden Urteil des EuGH heißt es: „Glaubensgemeinschaften und Kirchen werben ihre Mitglieder mit dem Versprechen, dass ein höheres Wesen – in diesem Falle Gott – die Gebete der Gläubigen erhört. Bei Nichterfüllung dieses mündlichen Vertrages haftet daher die jeweilige Institution als Ganze.“ Zuvor hatte sich der gläubige Katholik Axel Stepnik aus Berchtesgaden durch alle Instanzen geklagt, nachdem er erfolglos darum gebetet hatte, dass an seinem 30. Geburtstag ein Porsche in seiner Garage stehen möge. Nun muss die katholische Kirche … dem inzwischen 34-Jährigen das gewünschte Fahrzeug (Modell 987 Boxster Spyder) innerhalb einer Woche zukommen lassen.“
Soweit diese Meldung. Und bei aller Regelungswut, mit der uns die EU überzieht und manchmal auch quält, Sie haben gemerkt und herausgehört: Das ist natürlich Satire. Und Sie könnten fragen: „Wie kommt der jetzt darauf?“ oder: „Was will er denn damit schon wieder?“
Ganz einfach: Satire will ja nicht nur unterhalten, Satire nimmt ja auch immer bestimmte Haltungen und Einstellungen ins Visier oder aufs Korn – und überspitzt das dann. In diesem Fall, wie ich finde, ein Gottesbild, das in unserem Alltag und in unserer Nachbarschaft gar nicht so fremd ist. Und bei uns selbst auch nicht: Ein Wunscherfüller auf Zuruf. Aber nur, wenn man ihn braucht.
Und sonst ein Gott, der sich eher zurückhalten, der sich im Normalfall raushalten soll. Ein Gott, der erstmal im normalen Leben keine Rolle spielt und wohl auch nicht spielen soll. Aber wenn man etwas will oder braucht, dann soll der gefälligst springen. Zumindest kann man dann mit ihm schachern. Und von ihm fordern: Wenn ich dich brauche, dann hast du gefälligst auf der Matte zu stehen. Gott ernst nehmen, finde ich, den Allmächtigen wirklich ernst nehmen, das sieht anders aus. Ein armseliges Gottesbild. Ein Gott als Mittel zum Zweck. Sonst nichts.
Genauso armselig übrigens, denn da ist er auch nur Mittel zum Zweck, genauso armselig wie bei denen, die auf Arabisch laut schreien „Gott ist groß“, und die dann das, was er gemacht hat und liebt und schützen will, die dann seine Schöpfung, seine Ebenbilder, seine Welt angreifen, vernichten und abschlachten.
Ja und dann dagegen das Gottesbild aus unserem heutigen Predigttext. Ungefähr 2750 Jahre alt, aber nicht nur wegen seines Alters etwas Besonderes. Denn ist das fast schon so, als sei uns dieses Bild mit unseren Erbanlagen in die Wiege gelegt. Dies Bild des Propheten Jesaja: Gott der Herr auf seinem hohen und erhabenen Thron, der Saum seines Gewandes erfüllt den Tempel, Engel und Serafin wohin man blickt, das ganze Haus von Rauch erfüllt. Und alles bebt, wenn diese Engel oder Serafin rufen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Das Bild, das sitzt.
Denn Menschen suchen doch nach Gott. Wollen also wissen, ob und wie es einen letzten Grund und Halt gibt. Und wollen das in irgendeiner Form irgendeiner Form auch begreifen und eben auch sehen. Und dies Bild des Propheten Jesaja, das muss da so eine Art Urbild sein. So als würde jemand sagen: „Macht die Augen zu und stellt Euch Gott vor.“ Und alle hätten das gleiche Bild vor Augen. Dies Bild. Das uns und unsere Vorstellung von Gott nun wirklich geprägt hat. Und das Erstaunliche: mit keiner Silbe beschreibt er, wie Gott aussieht, malt also im Grunde gar kein Bild und beachtet so das Bilderverbot. Und trotzdem sehen oder erkennen wir etwas, können Gott wenigstens ein Stück begreifen oder fassen. Und das ist wirklich etwas Besonderes.
Und zugleich, und das ist für mich das eigentlich Faszinierende, zugleich aber sagt das Bild: er ist unfassbar, nicht verfügbar, nicht wirklich zu sehen und zu begreifen. Und das wissen wir auch. Und hängen vielleicht gerade wegen dieser Spannung so am Bild des Jesaja. Mit dem alle anderen Bilder nicht konkurrieren können.
Denn das hat Wucht und das hat Größe Und das ist das A und O. Es muss ja nicht gleich das Erschauern sein. Aber das Staunen. Staunen über Herrlichkeit und Größe Gottes zugleich. „Seid stille, und erkennt, dass ich Gott bin.“ (Psalm 46,11)
So soll es sein. Und muss es sein. Ohne Wenn und Aber. Das steht vornean. Allerdings: Vorsicht. Wer das einmal aufgenommen oder zugelassen hat, – und denken Sie dabei an die Stelle, wo einer der Serafin Jesajas Mund mit einer glühenden Kohle berührt – wer das einmal aufgenommen oder zugelassen hat, der ist dann auch ein gebranntes Kind. Weil einen das nicht mehr loslässt, die Sehnsucht nach ihm hat sich dann in die Seele gebrannt. Das zum einen. Und zum andern weil dann eben nicht alles so glatt geht wie in der Eingangssatire: Oben Wunsch einwerfen, unten Erfüllung rausnehmen. Sondern weil Fragen bleiben, die wehtun wie glühende Kohlen, manchmal quälen. Warum er nichts tut trotz Allmacht. Dinge zulässt, die seinem Willen entgegenstehen. Warum er manche Menschen und Völker so arg beschneidet. Bis hin zum Zweifel, ob es ihn überhaupt gibt, er überhaupt da ist.
Ich weiß darauf keine Antworten, genauso wenig wie ihr. Das Bild gibt auch keine. Und lässt uns trotzdem nicht los. Und wir ahnen, dass man das einfach annehmen muss: „Seid stille, und erkennt, dass ich Gott bin.“ (Psalm 46,11) Und dass das allem vorausgeht: Das Staunen über die Größe Gottes und die Bewunderung seiner Allmacht.
Und dass man manchmal eben doch kleine Tipps bekommt, dass diese Art von Annehmen oder auch Ergebenheit, das die gar nicht so schlecht sein muss.
Wir hatten den Dachdecker bei uns, kamen ins Gespräch, er prockelte so lange, bis er wusste, welches mein Beruf gewesen war. Und erzählte dann, er sei zwar evangelisch, aber er sei auf dem Weg zum Kindergarten an der Katholischen Kirche in Walibo vorbeigekommen. Als da plötzlich die Tür aufging, ohne einen Menschen in der Nähe, einfach so. Oh, habe er sich da gedacht. Da habe ihm der liebe Gott sagen wollen: „Du bist aber lange nicht mehr in der Kirche gewesen.“ Also sei er reingegangen, habe ich umgesehen und dann auch eine Kerze angezündet, wie sich das gehört. Und habe beim Rausgehen gemerkt, dass da an der Kirchentür ein Bewegungsmelder war, und deswegen sei die Tür aufgegangen.
Jetzt hätte er über sich lachen können. Oder sogar sich ärgern und schimpfen über so viel Naivität und Unbedarftheit. Nein, er fand das ganz in Ordnung, auch als Hinweis des lieben Gottes. „Richtig so, bin ich doch endlich mal wieder in der Kirche gewesen.“
Ja, zugegeben, ein sehr kleiner Tipp, dass diese Art von Annehmen oder auch Ergebenheit, dass die gar nicht so schlecht sein muss. Aber letztlich muss es so sein: „Seid stille, und erkennt, dass ich Gott bin.“ (Psalm 46,11) Und das muss allem vorausgehen: Das Staunen über die Größe Gottes und die Bewunderung seiner Allmacht.
Amen