16. April 2020

Tageslosung

Weh denen, die weise sind in ihren eigenen Augen und halten sich selbst für klug!

Jesaja 5,21

Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt ist.

1. Korinther 2,12

Ich würd‘ die Krone täglich wechseln, würde zweimal baden
Würd‘ die Lottozahlen eine Woche vorher sagen
Bei der Bundeswehr gäb‘ es nur noch Hitparaden
Ich würd‘ jeden Tag im Jahr Geburtstag haben
Im Fernsehen gäb‘ es nur noch ein Programm
Robert Lembke vierundzwanzig Stunden lang
Ich hätte zweihundert Schlösser und wär‘ nie mehr pleite
Ich wär‘ Rio der Erste, Sissi die Zweite

Haben sie es erkannt? Ich könnte es sogar noch mitsingen.

Ich wär‘ chicer als der Schmidt und dicker als der Strauß
Und meine Platten kämen ganz groß raus
Reinhard Mey wäre des Königs Barde
Paola und Kurt Felix wären Schweizer Garde
Vorher würd‘ ich gern wissen, ob sie Spaß verstehen
Sie müssten achtundvierzig Stunden ihre Show ansehen
Oh, das alles, und noch viel mehr
Würd‘ ich machen, wenn ich König von Deutschland wär‘

Rio Reiser von 1986: König von Deutschland. Es lohnt sich, das auch ganz anzuhören. Immer noch.
Ich hatte diese nostalgische Anwandlung, als gestern reihenweise Ministerpräsidenten zu den neuen Regeln in der Krise interviewt wurden. Ich weiß nicht, wie es ihnen dabei ging, aber ich hatte den Eindruck, bei manchen mehr und bei manchen weniger und bei zweien schon mit Händen zu greifen, dass es da auch um Macht und Karrierestreben ging: Das alles und noch viel mehr würd ich machen … siehe oben.
Aber vielleicht lesen die ja heute auch die Tageslosung. Zumindest einer von ihnen ist Protestant, wie man weiß. Darf man dies Wort für evangelische Christen in Bayern überhaupt noch benutzen?

Da sind mir doch die normalen oder ganz einfachen Leute lieber, die nämlich, die die Welt wirklich zusammenhalten, wie ich finde.
Wir hatten gestern Besuch vom Installateur. Ein Toilettendeckel musste ausgetauscht werden und das Bidet schien nicht ganz fest zu sitzen. Bevor jetzt jemand über meine handwerklichen Unfähigkeiten und meine zwei linken Hände spottet: Ersteres war eine Reklamation, beim zweiten hatte ich mich schon drangemacht, wollte aber gern noch eine zweite Meinung einholen, wie man heute so sagt. Sogar im Sanitärbereich, denn über dessen Wichtigkeit sind wir spätestens seit der Hamsterei von Klopapier informiert.

Die erste Information des Monteurs war, dass man den neuen Toilettendeckel jetzt ganz einfach nach oben abziehen könne, um ihn zu reinigen. Einige, so sagte er, packten ihn zur Reinigung sogar in die Spülmaschine. Ihm war anzusehen, was er davon hielt. Ich hätte ihn knuddeln können.
Seine zweite Information war die, dass der Rückhaltemechanismus des Deckels, der ihn ganz von selbst schließen lässt, ohne dass man ihn nach unten legt, noch sehr schwergängig sei, das würde sich aber geben. Er selber hätte bei sich aber noch die alten Deckel, die man selbst noch „ablegen“ müsse. Seine Schwiegermutter, die Ostern zu Besuch gewesen sei, hätte aber die neuen Modelle.
Man sah ihm wieder an, dass er den vielfachen Knall von Deckel auf Porzellan noch im Ohr hatte und froh war, dass alles heil geblieben sei.
Und beim Bidet stellte er dann schließlich fest, dass ich keinen Fehler gemacht hatte und alles in Ordnung sei. „Alles richtig gemacht. Kleines Kompliment von der Geschäftsleitung.“

Mein Schwebezustand hielt dann nur bis zum Abend an, denn nicht alle halten sich an das Versammlungsgebot oder an das Verbot von Massenansammlungen.
Ich hatte meine Tomatenpflanzen wie jedes Tag nach draußen auf den Rasen gestellt. Sie stehen nämlich in der Nacht im Wintergarten, in Einkaufskörben von „Seifen Puls“. (Noch mal Nostalgie. Meine Mutter hat da gearbeitet und u. a. das Geld für meine Schulzeit und mein Studium verdient. Später hieß der Laden dann „Seifenplatz“ und „Ihr Platz“.) Als ich die Körbe abends wieder reinstellte, dachte ich erst nur an die eine Ameise, die ich als erstes entdeckte. Es waren aber hunderte wenn nicht tausende kleiner Krabbler, die sich da trotz Versammlungsverbot in unserem Wintergarten tummelten. Wir haben sie dann wieder nach draußen geschafft. Wozu ein Handfeger alles gut ist. Allerdings verging der halbe Abend, bis mein eingebildeter Juckreiz vergessen war.

Hätte ich mir aber eigentlich auch denken können, denn der Rasen sitzt bei uns voll von Ameisen. Siehe Tageslosung.