Weihnachtspredigt 2014

Jesu Geburt

1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger von Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. 4 Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die ward schwanger. 6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, da sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und siehe, des HERRN Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des HERRN leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. 15 Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der HERR kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Liebe Gemeinde,

es gibt ja ein paar Dinge in der Weihnachtsgeschichte, die bleiben im Dunkel, bei allem Leuchten und bei aller Klarheit des Herrn. So zum Beispiel, wie viele Hirten es gewesen sind. Und unsere Krippenspiele sind da ja nicht repräsentativ. Das waren jedes Jahr mal mehr und mal weniger Hirten. Je nachdem, wie viele Kleine wir dabei hatten, die noch nicht lesen konnten, also keine Sprechrolle bekommen konnten. Denn die wurden alle zu den Hirten gesteckt. Fragen Sie z. B. mal einen unserer Organisten. Der hat seine kirchliche Karriere auch mal als dritter stummer Hirt in der vierten Reihe begonnen und sich dann hochgedient. Nicht nur im Krippenspiel.

Aber auch wenn man die Zahl der Hirten nicht weiß, die Hirten selbst, die sind trotzdem wichtig. Denn ein paar andere Dinge kann man bei ihnen schon ahnen oder wissen. Dass sie zum Beispiel – Hirten war ja damals ein ganz normaler Beruf – dass sie uns gar nicht mal so unähnlich waren oder sind. Menschen, deren Leben und Alltag mal so und mal so verläuft. Menschen, die manchmal die ganze Welt umarmen aber manchmal auch nur noch heulen könnten. Menschen wie wir auf der Suche nach Wurzeln und Geborgenheit. Einmal im Jahr ja besonders. Und damit auch getrieben von der Frage, ob das denn hier und jetzt schon alles gewesen sein kann. Zumal sie, zumal wir doch oft gar nicht mehr wissen, ob wir selbst noch Herr über unser eigenes Leben sind. So vielen Mächten verpflichtet, so vielen Umständen und Zwängen unterworfen, so vielen Menschen und kleinen wie großen Göttern und Gewalten ausgeliefert.

Hirten also, Menschen und Leute wie wir, die dann dasselbe hören wie wir heute: Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren. Und die sich dann, weil sie das Suchen und Fragen und die Hoffnung nicht aufgegeben haben, die sich dann trotz allem, was in ihrem Leben und ihrer Geschichte dagegen spricht, die sich dann aufmachen und sehen und erfahren, wie diese Welt da auf den Kopf gestellt wird. Oder besser: zurecht gerückt und wieder auf die Füße gestellt wird. Da, in Bethlehem, in diesem Stall, mit diesem Kind. Wo Gott sich ihnen, wo er sich uns ausliefert. Uns zu verstehen gibt: Ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden.

Und was das heißt oder noch heißt, das ist mir dieses Jahr am 9. November wieder schlagartig deutlich geworden. Beim Eröffnungsgottesdienst der diesjährigen EKD-Synode. Als es natürlich Lob und Dank gab. Für und an den, ohne den wir nicht wären. Wie es sich für einen Gottesdienst gehört. Wo aber auch in einem ganz breiten Eingangsteil ganz viele verschiedene Menschen berichteten, wie sie den 9. November 1989 erlebt hatten. Und so – das waren ja alles auch Bekenntnisse – so auch von den großen Taten Gottes erzählten. Was im Umkehrschluss heißt: Der Mensch rückt in den Mittelpunkt. Der Mensch, der ist wichtig. Auch und gerade vor Gott und für Gott. Und das ist Weihnachten, das erfahren die Hirten und wir hoffentlich auch.

Jetzt könnte natürlich jemand auf den Gedanken kommen, zu sagen: Da hat der alte Jürgen von Manger ja doch Recht gehabt. Das hat der doch schon immer gewusst. Für die Jüngeren: Jürgen von Manger, sein Künstlername war dann Adorf Tegtmeier, das war bis Anfang der 80ger Jahre ein Ruhrpott-Kabarettist. Zu der Zeit also, als die meisten Kabarettisten nur (Nuhr?) Kabarettisten und noch keine arroganten Besserwisser waren. Und dieser Adolf Tegtmeier, der schloss seine Programme regelmäßig mit der Aufforderung „Bleiben se Mensch“. Biblisch und weihnachtlich gesehen, hat der erstmal Recht gehabt. Hat das heute noch. Und wie gerne würde ich das all den Islamisten und ihren Wegbereitern auch bei uns, wie gern würde ich das den Suppenköchen der Pegida und auch so manchen hoffnungslos überheblichen Wirtschafts- und Polit- und Geldmenschen, wie gern würde ich ihnen das nicht nur in die Ohren flüstern, sondern ihnen um die Ohren hauen. „Bleiben se Mensch“. Womit diese Reihe nicht zu Ende ist. Sie wüssten sicher auch noch den einen oder die andere. Wäre ja vielleicht auch ein Anfang. Aber nur, wenn der liebe Gott kräftig mithelfen würde. Wir sollten ihn in unseren Gebeten daran erinnern. Wie schön könnte die Welt werden, wenn die wenigstens das beherzigen würden. Auch das ist Weihnachtshoffnung.

Wobei das aber zugleich wieder so nett von uns ablenkt. Geht aber nicht, denn auch uns ist der Heiland geboren. Und das ist mehr als nur eine humorvolle oder joviale Aufforderung „Bleiben se Mensch“. Und darum auch mehr, als sich wenigstens einmal im Jahr die Welt im Ganzen oder auch Familie oder Betriebsklima im Speziellen, um sich das an diversen Buden mit Glühwein schön zu trinken. Und auch mehr als sich schon angesichts des Menüs zu Weihnachten zu fragen, ob man es danach nicht doch mit Almased probieren müsste.

Sie merken, „Bleiben se Mensch“, das ist mir zu wenig. Bei aller Hochschätzung für Jürgen von Manger. Und warum soll alles so bleiben wie es ist? Und Weihnachten ein rührseliges Erinnerungsfest daran, wie schön und heimelig es früher mal war.

Weihnachten, da steht der Himmel offen. Dem Menschen, der in den Mittelpunkt gerückt wird. Und wenn Gott Mensch geworden ist, was für riesige und vielleicht sogar unendliche Perspektiven sind das dann für uns. „Werden se Mensch“. So muss das heißen. Und was kann aus uns dann noch alles werden? Viel viel mehr doch, als wir in unserer Begrenzung glauben. Und viel mehr, als wir oft für möglich halten. Kein besinnlicher Jahresabschluss, sondern die Möglichkeit des Neuanfangs, wenn Gott unsere Füße da auf weiten Raum stellt, uns den aufrechten Gang anbietet.

„Werden se Mensch“, und ich glaube, da hat jede und jeder von uns noch eine ganze Menge Luft nach oben, sein Potential und nicht nur das in Schwarz-Gelb noch nicht ausgeschöpft, wie man manchmal in wohlmeinenden Beurteilungen lesen kann. Vor allem, wenn da nicht irgendwer uns zur Seite steht. Das ist der Allmächtige. Und gar nicht still und unerkannt. Zum Spüren, zum Anfassen. Wenn Sie mehr wissen wollen, ich kann ihnen da ein Buch empfehlen. Bibel, steht mehr drin als nur die Weihnachtsgeschichte. Und übrigens die Gute Nachricht für jeden Tag. Nicht nur „Heute nur gute Nachrichten“, wie es eine große deutsche Bildungszeitung heute auf der Titelseite vermeldet.

Und bevor wir so plakativ weiter an uns rumdoktorn lassen, dann doch lieber ein anderer Tipp, vom offenen Himmel und seiner Zusage her. Worte und Gedanken von Pablo Picasso:

Ich suche nicht – ich finde.

Suchen, ist das Ausgehen von alten Beständen

Und das Finden-Wollen von bereits Bekanntem.

Finden, das ist das völlig Neue.

Alle Wege sind offen, und was gefunden wird,

ist unbekannt.

Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer.

Die Ungewissheit solcher Wagnisse können

eigentlich nur jene auf sich nehmen,

die im Ungeborgenen sich geborgen wissen,

die in der Ungewissheit der Führerlosigkeit

geführt werden,

die sich vom Ziel ziehen lassen

und nicht selbst das Ziel bestimmen.

Ich finde, auf den Versuch kommt es an. Fürchtet euch nicht. Denn Euch ist heute der Heiland geboren. Was will man mehr.

Amen