Sonntag, 23. März 2014 – Christuskirche

1. Könige 19, 1-13a

Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. 2Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.

Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. 7Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Liebe Gemeinde,

Elia, der Prophet. Oder: Wer sich einsetzt, der setzt sich aus. Das hätte Elia wissen müssen. Er wusste das auch. Aber gerade darum die Frage, warum er sich dann so hängen lässt. Die Flinte ins Korn werfen will wie gerade gehört: „Schluss. Aus. Feierabend.“

Hätte es wissen können und wusste es: wer den Mächtigen und Despoten ihre Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit, wer ihnen ihre Arroganz der Macht um die Ohren haut, der ist nicht wohl gelitten. Und wusste es auch, dass sie es nicht gern hören, dass sie nicht die Größten sind, allenfalls in der zweiten Reihe stehen. Dass da ein Größerer ist als sie alle zusammen und all das, was sie anbeten. Oder haben Sie bei Herrn Putin das Gefühl, es würde ihm gefallen, nicht der Größte sondern allenfalls ein Geschöpf und Diener des Größten zu sein. Oder Herrn Assad. Oder Herrn Erdogan. Bis hin zu von sich selbst so überzeugten vermeintlichen Gutmenschen, die es nicht fassen können, als Steuerhinterzieher mit der Elle für alle gemessen zu werden. Wobei manche Leute bis hin zu unserer Kanzlerin hinterher besser geschwiegen hätten.

Wer sich einsetzt, setzt sich aus. Was er wusste, und trotzdem will er sich jetzt aufgeben.

Natürlich, da war das Gottesurteil am Karmel gewesen. Eine Art Wettstreit der Religionen auf einem Berg nahe der Küste. Der König Ahab und seine Frau Isebel mitsamt ihrer Gefolgschaft auf der einen Seite. Und mit Baal, einem Gott, der Stärke und Macht verleihen sollte, egal wie teuer andere und vor allem die kleinen Leute dafür bezahlen sollten. Und Elia (ein Name und zugleich ein Glaubensbekenntnis. Denn – El = Gott, Eli= mein Gott und Ja=Jahwe, der heilige jüdische Gottesname – das besagt nichts anderes als: Mein Gott ist Jahwe und keiner sonst und er ganz allein. Wenn man so will, das 1. Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“) Elia mit Jahwe ganz allein auf der anderen Seite. 2 Altäre, für jede Seite einer, beide vorbereitet aber nicht angezündet. Das sollte auf Bitten seiner Leute Baal machen. Oder Jahwe auf Bitten Elias. Und dann würde man schon sehen, wer der wahre Gott sei.

Wie das Gottesurteil auf dem Karmel ausgeht, die meisten von Euch und Ihnen wissen das. Der Baals-Altar bleibt kalt, trotz aller Verrenkungen und Bemühungen der Baals-Proheten, aber Elias Altar brennt. Sein Gott lässt ihn nicht hängen. Jahwe, der Herr ist Gott, er ganz allein.

Aber, noch einmal: Wer sich einsetzt, setzt sich aus. So was ist und bleibt gefährlich. Und trotzdem. Isebels Racheschwur „Ich lasse dich töten“, der allein kann ihn nicht so runtergezogen haben. Zumal es nicht der erste war. Schon einmal hatte er in die Wüste fliehen müssen, das Fenster hier in unserer Kirche erzählt davon. Und eben auch davon, wie die Raben ihm Brot und Fleisch brachten, wie Gott ihn gerettet hatte. Das allein also, die Rache der Mächtigen, kann es nicht gewesen sein.

Wer sich einsetzt, der setzt sich aus. Ich denke, da kam noch etwas dazu.

Zum einen die große Leere, das große Loch nach dem Fest, in das man hineinfällt. Wer von uns kennt das nicht, wenn nach dem Erfolg alle Spannung von einem abfällt. Nach dem Triumph die große Depri. Und eins, glaube ich, geht nicht und gibt es nicht ohne das andere. Das Leben ist kein Spaziergang auf Wolke sieben, da sind auch immer die tiefen Täler. Gerade, weil da auch die Höhen sind.

Und zum anderen, bei allem guten Willen, das Gefühl, egal, wie gut man es meint, das Gefühl, dass man es nicht allen recht machen kann. Oder möchten oder könnten Sie Bürgermeister von Stirpe und Erwitte oder von Bad Westernkotten und Erwitte zugleich sein? Kleines Beispiel. Oder jetzt bei der Krim, können Sie sich eine Lösung vorstellen, bei der alles gut geht und bei der alle zufrieden sind? Und das Gas weiter fließt, die Wirtschaft boomt und die Menschen dort sich täglich vor Glück in die Arme fallen?

Nein, und ich vermute, auch das nagt an Elia, egal was ist, was man gemacht, geleistet oder auch entschieden hat, man macht es richtig und falsch zugleich. Es bleibt ganz oft ein schaler Nachgeschmack. Auch im Kleinen, nur als Beispiel, in der Kindererziehung, wenn man da was verbietet, und nachher doch nicht weiß, ob es richtig war oder nicht. Oder, eine ehemalige Mitarbeiterin hat das gerade wieder vor dem Pfarrhaus in Erwitte erlebt, wenn da ein Bettler mit seinen Forderungen steht, egal, ob man was gibt oder nicht, es bleibt ein schlechtes Gefühl. Bis dahin, dass man sich da selbst nicht mehr leiden kann. Und so ist das eigentlich fast immer. Da kommt man nicht raus, noch viel weniger bei wirklich großen Dingen.

Wer sich einsetzt, setzt sich aus. Das Auf und das Ab des Lebens, und das Ab kann ganz schön hart und bitter sein. Bei Elia ganz extrem: „Es ist genug, Herr, nimm nun meine Seele.“ Sagt Elia. „Die ganze Mühe war umsonst. Ich bin nicht besser als alle meine Väter. Lass gut sein. Ich will nicht mehr und ich kann nicht mehr.“ Und legt sich hin und will sterben.

Wer sich einsetzt, setzt sich aus. Der Paradeprophet am Boden zerstört. Der Sieger plötzlich nur noch ein Häufchen Elend. Und doch und immer noch, und ich denke, das ist das Wichtige an dieser Geschichte nicht zuletzt für uns, immer noch ein Mensch Gottes, in Gottes Hand. Der in der Niederlage erfährt, was uns die Passionszeit erzählt: Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Egal was ist, er ist da an deiner Seite.

Und so ist da der Engel, der Elia anrührt, ihm Brot und Wasser gibt, und dann sagt: „Steh auf und iss, Du hast einen langen Weg vor Dir.“ „Du lässt dich hängen, aber Gott lässt dich nicht hängen.“ Und so hat Elia die Kraft zu gehen, 40 Tage und 40 Nächte, die liturgische Dauer unserer Passionszeit, 40 Tage und 40 Nächte bis zum Gottesberg, zum Horeb. Um dort Gott zu begegnen, der ihn dann wieder endgültig aufrichten wird.

So war das mit dem Propheten Elia, mit seinen Siegen und Niederlagen, Höhen und Tiefen. Und mit uns. Die Spannbreite des Lebens: „Es ist genug Herr.“ Und: „Steh auf und iss.“ Und es geht und es geht weiter.

Vielleicht kennen Sie die Geschichte schon:

Der Maler Gerd Gisder, der lange Zeit für den Film und später für das Fernsehen arbeitete, bekam einmal, nachdem er sich als freier Künstler niedergelassen hatte, von einem reichen Fabrikanten den Auftrag, das Leben darzustellen. Gerd Gisder nahm an und versprach, sein diesbezügliches Werk binnen einer Woche zu fertigen.

Als nach Ablauf der gesetzten Frist der Fabrikant sich wieder bei dem Künstler meldete, war dieser gespannt, was denn auf der Leinwand zu sehen sei. Vielleicht hatte Gerd Gisder einen Baum als Lebensbaum oder einen Weg als Lebensweg oder gar Wasser als Ursprung und Quelle allen Lebens gemalt.

Der Künstler führte den Fabrikanten in sein Atelier. Auf der Staffelei stand ein Ölgemälde. Die Verwunderung des Auftraggebers über das Dargestellte war groß. Er starrte lange auf das Bild. Seine Augen schienen zu fragen: „Das soll Leben symbolisieren?“ Der Künstler nickte und dann, als hätte er die Gedanken des Mannes erraten, erklärte er:

„Ja, eine Schaukel! Sie versinnbildlicht für mich am besten das Leben!“ Und er zeigte auf die Schaukel, die nicht starr nach unten hing, sondern Anlauf nahm zum Aufschwung. Er führte dann aus: „Sitzen Kinder oder Verliebte darauf, ist sie ständig in Bewegung wie alles Leben. Ihr Prinzip ist das Auf und Ab, gleich den Höhen und Tiefen, die in jedem Dasein vorkommen.“ Nach einer Pause setzte er hinzu: „Wenn man es sehen will, hat das Leben mehr Höhen als Tiefen.“

Dann schwieg er länger und meinte nach der Pause mit fester Stimme: „Aber auch wenn ich ein Tief durchmache, habe ich die Gewissheit, dass ich gehalten werde.“

„Es ist genug Herr.“ Und: „Steh auf und iss.“ Und es geht und es geht weiter. Und wenn dann doch der Gedanke bleibt, das mit den „mehr Höhen als Tiefen“, das stimme so nicht, vergesst nicht: Noch behält unser Herr und Gott das letzte Wort. So ist Gott. Amen