Sonntag, 18. Mai 2014 – Erwitte

Apostelgeschichte 17, 22 ff

(22)Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt.

(23)Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.

(24)Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.

(25)Auch läßt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt.

(26)Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen,

(27)damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.

(28)Denn in ihm leben, weben und sind wir;

(34)Einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.

Liebe Gemeinde,

treffen sich 2 Missionare im tiefsten Busch, wie man damals so sagte. Sagt der eine im Brustton der Überzeugung: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Eingeborene ich hier schon getauft habe. Weit über 500.“ Sagt der andere: „Mag ja sein. Aber ich habe den Häuptling überzeugt und getauft.“

Und deswegen geht der Apostel Paulus auf seiner Missionsreise nach Athen. Neben Rom das vor allem geistige Zentrum der damaligen Welt. Athen mit dem Areopag, so etwas wir ein Beratungs- und Marktplatz. Dahin geht Paulus, mitten hinein in das Zentrum der geistigen Auseinandersetzung damals. Denn wenn er da Erfolg hat, dann wird er ihn überall haben. Mehr noch, dann wird von da aus die damalige Antike in Windeseile eine christliche sein.

Allerdings, um es vorwegzunehmen, und Sie haben das Ende ja auch gehört: sein Erfolg ist eher mickrig. Ein paar Leute oder versprengte Gestalten, die dann ihm aber vor allem an Jesus glauben. Mehr nicht. Obwohl man die kleinen Leute nie unterschätzen soll. Die sind das nämlich oft, die diese Welt zusammenhalten. Aber die, auf die es Paulus eigentlich ankam, die Philosophen und anderen Gelehrten, die verspotten ihn nur und lachen ihn aus. So im selben Kapitel zu lesen.

Na ja, mit Arroganz und Überheblichkeit kann man nicht diskutieren. Genauso wenig wie mit Dummheit. Und das liegt oft nahe beieinander.

Aber auch sonst kein Grund, sich von dieser Geschichte zu verabschieden. Denn sie hat, wie ich finde, ganz erstaunliche Parallelen zu uns heute. Und hat Aktualität, in dem, was Paulus da sagt. Aber fangen wir mit dem ersten an, dem Areopag. Und der Göttervielfalt.

Da gibt es eine Stelle in einem Asterix, ein Comic, früher ein Muss unter den jungen Leuten, da gibt es in einem Asterix eine Stelle, da machen sich die Gallier furchtbar lustig über die Vielzahl der römischen Götter. U. a. mit der Bemerkung, dass die Römer ihre Götter durchnummeriert hätten, um sich durch die Bedeutungen durchzufinden und Verwechslungen zu vermeiden. So habe Bonna, die Schutzgöttin des Rheins, die Nummer 53.

Und so ähnlich war das wohl auch im antiken Griechenland. Deutlich zu sehen am Areopag. Götterstandbilder, Heiligtümer und Altäre in größerer Anzahl. Für alles und alle, manchmal auch gegen alles und alle. Für Krieg und Frieden, für die Seefahrt und die Landwirtschaft, für die Weisheit und die Schönheit – merkwürdigerweise auch damals schon voneinander getrennt, was man ja in manchen Casting-Shows ja auch heute noch sehr deutlich wiederfindet, wenn es z. B. um das Supermodel geht – , für den Wein und für die Morgenröte, und noch viel mehr Götter mitsamt ihren Heilsangeboten, Götter, die heute eigentlich nur noch in Kreuzworträtseln vorkommen. Wohlgemerkt die Götter und Namen. Das mit den vielen Heilsangeboten, das gibt es immer noch, heißt nur anders und sieht nur anders aus.

Denken Sie mal an eins der großen Einkaufszentren. Manche inzwischen schon wie ein Sakralbau oder eine moderne Kathedrale gebaut. Und im Inneren ein Altar neben dem anderen. Und nicht nur Töpfe, Gläser und Bettwäsche. Wenn Sie im richtigen – oder falschen – Zentrum landen, dann finden sie auch Angebote ohne Ende, die Seele zu pflegen oder einzuwickeln. Esoterik und östliche Religionen schlagen da voll zu. Insbesondere in der Deko-Abteilung. Gartenmärkte sind da auch noch zu nennen. So ein Buddha im Rosenbeet, ja da blüht einem doch erst der Sinn des Lebens auf.

Oder, zweites Beispiel, Quizduell, ein Quizspiel, bei dem man auf dem Smartfone gegeneinander spielen kann. Ist Kult im Augenblick. Kommt ab Mo 12.05. sogar im Fernsehen. Ist auch schön, wie ich finde. (Ich verrate Ihnen auch gern meinen Code-Namen – Mangiofazzula – , dann können wir gegeneinander spielen.) Aber da bei Quizduell, da gibt es eben ganz verschiedene Rubriken, aus denen man die Fragen aussuchen kann. Und es gibt es eben eine Rubrik „Glaube und Religion“. Doch wenn man die Fragen sieht: Von wegen christliches Abendland. Mindestens genauso oft kommen da die germanischen und indianischen Götter, da kommen Naturreligionen und natürlich auch die astrologischen Zeichen vor, unsere wie die chinesischen. Von denen ich ja noch gar nicht wusste, wie ich bislang ohne die überhaupt leben konnte. Und was ich da schon alles über Vishna und Ganesha mit dem Elefantenkopf und Konfuzius und Buddhas Baum oder Buddhas Vater erfahren habe, dagegen muss der Areopag in Athen eine Miniaturausgabe im H0-Format gewesen sein.

Nur, drittes Beispiel, genauso geben sich die Leute doch auch und leben damit oder danach. Auch bei uns. Das geht doch von „Ach, der da oben, der wird’s schon richtig machen“ bis hin zu heilenden Steinen in der Jackentasche. Das geht von „Ich finde den lieben Gott im Wald, da bin ich ihm viel näher“ – übrigens, haben Sie diese Woche auch mit der Post die Werbung zum Besuch des Friedwaldes am Möhnesee bekommen? Da muss eine Menge Geld mit zu verdienen sein. Und ich habe früher immer gesagt: Wer meint, den lieben Gott im Wald zu finden, der soll sich auch vom Oberförster begraben lassen. – also das geht bei uns heute vom lieben Gott im Wald über Horoskope, Schmalspur-Buddhismus mit Räucherstäbchen und Mondkalender bis hin zu „Wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“. Und dann war da diese Woche noch der Europa-Kandidat, der sich im Blick auf christliche Symbole ja sehr unglücklich ausgedrückt hat. Hoffentlich nur das.

Ich finde, wie in Athen. Und ich finde, dass merkt man auch. Merkt man an der Ziellosigkeit, die die Leute allenfalls – die haben dann so was Intensives – die die Leute allenfalls missionarisch oder fanatisch aber nicht wirklich zufrieden macht. Merkt man an den vielen leeren Seelen und Sehnsüchten, auch danach, zu erfahren, „dass da doch noch irgendwas ist.“ Fehlt nur noch die Statue oder der Altar für den unbekannten Gott. Obwohl ich bei alldem – auch gerade Geschilderten – eben glaube, der ist auch da. Bei uns. Der ist da, nur eben in den Köpfen der Menschen:

Der letzte Rest von Unsicherheit nämlich, der trotz allem bestehende Zweifel: Ob diese ganzen Heilsangebote, diese ganzen Götterversammlungen wohl reichen? Ob es da nicht noch andres und mehr und Größeres gibt, als wir denken und glauben und bekennen? Mehr auch als wir glauben, sicher in der Hand zu haben?

Gibt es, sagt Paulus, und versucht sie und uns damit zu packen. Gibt es, sagt Paulus. Ihr ahnt es doch schon lange, sonst hättet ihr nicht diesen Altar, und jetzt zeige ich es euch richtig. Und dann erzählt er vom Gott der Bibel, einem Gott, den die Menschen nicht haben, der aber die Menschen und die Welt in seiner Hand hält.

Erzählt vom Schöpfer, der größer ist als unser kleines Leben, und der den Menschen all das gibt, was sie sich nicht selbst machen können. Großzügig und freigiebig. Selbst, wenn sie es nicht verdient haben. Weil dieser Gott nicht auf sich selbst sieht, sich selbst genug ist, sondern gönnen kann. Für die Menschen ist.

Und erzählt, auch ohne Jesu Namen zu nennen, von dem, der die Schritte der Menschen bis in Ewigkeit geleitet. Und sagt schließlich: „Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.“

Und das mit dem Weben, das finde ich ein ganz schönes Bild. Für das Leben. Für mein Leben und unser Leben.

Mit einem Lebensfaden, dem Geschenk des Lebens, mit dem alles beginnt. Und von dem ausgehend dann mein Leben gewebt wird, wie ein Stück Stoff, wie ein Teppich. Gewebt wird von mir, und ganz bestimmt nicht nur von mir. Wo viele andere dran mitarbeiten, andere Fäden und Farben dazukommen, unterschiedliche Muster und auch Formen entstehen. Manche ganz fest und tragfähig, manche dünn oder eben auch luftig.

Und wo es eben auch die Stellen gibt auf meinem Teppich, die Fehler aufweisen. Oder verpfuscht sind, meist von mir selbst. Und wo es dann doch weiter geht. Manchmal sogar viel schöner und besser als ursprünglich geplant. Nicht mein Verdienst. Und jedes Mal, wenn ich an diese Stellen denke, dann merke ich, dass der Apostel Recht hat, dass ich nicht allein webe. Und die, die mit mir weben auch nicht. Die wichtigsten Sachen im Leben kann man sich nicht selbst machen, die werden geschenkt. Die Bibel nennt das Gnade oder Liebe Gottes.

Und noch einmal denke ich an den Satz des Apostels, wenn ich überlege oder mich frage, wie es weitergehen wird. Wie der Teppich demnächst oder in ein paar Jahren aussehen wird. Und weiß, dass ich es letztlich nicht weiß. Aber mich – auch durch den Rückblick – darauf verlassen kann, dass da einer ist, der es gut mit mir meint und dessen Nähe sich wie ein roter Faden durch alles zieht. Mehr noch, der in Leben, Tod und Auferstehung Jesu nicht nur versprochen hat, mitzuweben, sondern weiter zu weben, dann, wenn ich den Faden loslasse. Vielleicht wird es ja dann noch viel schöner. Wer weiß. Und spätestens durch den Gedanken an Jesus weiß ich auch, das ist eben doch kein unbekannter Gott, im Gegenteil, da in diesem Jesus hat er doch einen Blick und Worte und Begleitung für mich. Zeigt sich, wie er ist. Schade, dass in Athen nur so wenige darauf gekommen sind. Und wir, wir haben da immer noch und immer wieder eine Chance.

„Er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“

Amen