Benninghausen am 26. Juli 2015

Matthäus 5, 13-16

13Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. 14Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. 15Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. 16So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Liebe Gemeinde,

es gibt Predigttexte, da mag sich so mancher oder manche fragen: „Was soll da jetzt noch Neues gepredigt werden? Das wissen wir doch schon alles. Vom Salz und vom Licht. Das haben wir auch schon oft genug gehört.“

Da ist was dran. Das wissen wir. Wenn Christus das Licht der Welt ist, dann ist es unsere Aufgabe und vielleicht sogar Pflicht und Schuldigkeit, dieses Licht weiter zu geben und am Brennen zu halten. Bis dahin übrigens – ich habe diesen Gedanken aus der Orthodoxen Kirche und finde, da ist mehr als nur was dran – bis dahin, dass die Feier eines Gottesdienstes nicht davon abhängen darf, ob oder wieviel Leute kommen oder teilnehmen. Wichtig allein, dass da Gottes Licht auf die Erde scheint, für alle. Und dass da für viele andere mitgebetet und mitgesungen wird.

Ähnlich beim Salz. Wie ohne Salz nichts richtig schmeckt, so ist auch die Welt, so ist auch das Leben ohne christlichen Glauben und christliches Fundament mitsamt seiner Ethik eine ziemlich fade Angelegenheit. Bis zur Frage, ob es ohne das überhaupt zu genießen oder zu ertragen ist.

Aber an sich braucht das alles keine weiteren Erklärungen.

Nur, und das ist mir aufgefallen und hat mich manchmal auch geärgert, nur wird das dann meist sofort ansatzlos in den erhobenen Zeigefingen umgewandelt. Und dann wird aufgezählt, was Mann und Frau in der Nachfolge Jesu alles zu tun haben. Und dann mal ran. Aber feste.

Oder, die einzelnen Salzkörner werden dann benannt. Die, die natürlich die richtige Würze haben und ohne die Kirche doch gar nicht läuft oder möglich ist und in der Welt untergeht. Wobei schon interessant ist, was da sehr plakativ vertreten und gefordert wird, und was nicht.

Kleine Aufzählung, bei Synoden und auf vielen kirchlichen Internetseiten zu erfahren. Oder man sucht nach kirchlichen Leuchtturmprojekten:

Der Grüne Hahn, seit ein paar Jahren einer der Renner. Ökologie in der Kirche. Vor allem Sanierung der Gebäude. Sicher sinnvoll. Aber teuer. Zeitintensiv, manche Presbyterien kommen in ihren Sitzungen zu kaum was anderem. Bis dahin, selbst erlebt, dass mit Energiesparleuchten Kirchen verschandelt werden sollen. Oder dass statt Kerzen in einem unserer Gemeindehäuser nur noch kleine LED-Funzeln flackern.

Die klassische Kirchenmusik mit Konzerten und Oratorien. Die ich sehr schätze. Die sich aber lange nicht mehr selbst finanzieren kann. Weil sie inzwischen ein Nischenprogramm für wenige Kulturbeflissene geworden ist. Und bei der ein elektronisches Instrument aber sowas von durchs Raster fällt. Wenn es da nach den Puristen geht, dann müsste auch hier eine für das Überleben der Kirche wichtige Pfeifenorgel stehen.

Kirche und Tourismus. Großes Thema mit inzwischen eigenen Etats und auch Pfarrstellen. Wobei da manchen ohne den Jakobsweg schon die Themen ausgegangen wären. Was Blasen an den Füßen auch nicht kompensieren können.

Erwachsenenbildung. Wichtig, sinnvoll. Aber Hauptaufgabe der Kirche? So wie die Partnerschaftsbörse im Kirchenkreis oder auch die Vorbereitungen für 500 Jahre Reformation. Auch mit eigener Teilzeitstelle bei uns, so mein letzter Informationsstand. Oder Jugendkirche. Wo sich ein paar in den Städten versammeln und die kleineren Orte leer ausgehen. Und von diesen sogenannten Leuchtturmprojekten werden uns ja immer mehr in die kirchliche Landschaft gesetzt.

Aber das und noch einige Dinge mehr, das ist nach Meinung vieler heute das christliche Salz der Erde. Wobei eben interessant ist, was da sehr plakativ und öffentlichkeitswirksam vertreten und gefordert wird, und was nicht. Wobei Salz sich ja eher unsichtbar macht, aber das nur am Rande. Und, sie haben es gemerkt, Gottesdienste mit Ausnahme von einigen Events oder Präsenz vor Ort, das kommt dabei so gut wie nie vor.

„Und was wäre denn,“ fragt ein um die Öffentlichkeitswirksamkeit der Kirche besorgter Dekan, was wäre, wenn wir nur noch unser Kerngeschäft betreiben würden?“ Worauf ein weiser älterer Kollege antwortete: „Die Menschen würden aufatmen.“

Was mich darum fragen lässt, ob das mit dem Salz der Erde und dem Licht der Welt wirklich alles nur so appellativ gemeint war. Und auf uns dann nur Vorschriften oder ein schlechtes Gewissen zukommen. Je nachdem. Und alle möglichen von der Welt abgeguckten Dinge. Oder ob Jesus das nicht auch noch ganz anderes gemeint haben kann. Mit dem Licht und dem Salz.

Meine Frau und ich sind gerade ein paar Tage in Bayern gewesen. Und haben da erfahren, dass man zur Gewinnung des Salzes eine Leitung für die Sole von Bad Reichenhall nach Traunstein gebaut hat. Vor über 200 Jahren. 30 km oder so. So wertvoll war das Salz. Oder anders: Was für eine Wertschätzung.

Und warum sollte Jesus mit dem Licht der Welt und dem Salz der Erde das nicht auch so gemeint haben. Nicht als Appell, nicht als Forderung und Aufgabenkatalog, sondern als zuallererst Wertschätzung. Für uns.

Der Apostel Paulus hat das der Gemeinde in Korinth einmal so geschrieben: „Ihr seid teuer erkauft.“ Wertschätzung. Bei der Frage nach unserem – auch unserem protestantischen – Glauben und dem, was ich davon habe, eine wenn nicht die Kernaussage, wie ich finde: Du bist teuer erkauft. Du bist schon wer. (Guck ruhig morgens in den Spiegel und sag dir: ich bin wer. Oder: Ich bin doch auch wer.) Denn du musst dich und dein Leben nicht beweisen. Du musst deinen Wert nicht erarbeiten und erleisten, deine Lebensberechtigung, deinen Sinn nicht ständig verdienen. Auch nicht mit allen möglichen Aktionen und Projekten und immer neuen Handlungsfeldern. Du bist nämlich schon wer, und ganz ohne dein Dazutun. Denn da ist einer, Gott, und den gibt es wirklich, ewig und allmächtig, der ist da für dich, der hat dich schon lange angenommen. Der trägt euch in dieser Welt und hält euch im Universum. Und der will dich nicht klein machen, sondern groß. Der will dich in keine Zwangsjacke stecken, sondern fördern. Und der will dich nicht knechten, sondern will deinen aufrechten Gang. In diesem Leben und eine ganze Ewigkeit dazu. Und für diese Botschaft, eben nicht Angst und Pflicht, sondern Zuspruch und Vertrauen, da hat Jesus alles gegeben, zuletzt sich selbst.

Also: Ihr seid teuer erkauft. Ihr seid schon richtig. Ihr seid darum schon das Salz der Erde und das Licht der Welt. Ihr müsst euch selbst und auch diese Welt nicht retten, das hat schon ein anderer für euch getan. Eigentlich auch die Botschaft eines jeden Gottesdienstes. Und alles andere ergibt sich dann, auch ohne erhobenen Zeigefinger. Bis dahin, dass wir dann wieder lernen könnten, selbst zu entscheiden, was wir würzen und was wir beleuchten möchten. Anstatt uns einen Leuchtturm nach dem anderen hinstellen zu lassen.

Ihr seid das Salz der Erde. Und ihr seid das Licht der Welt. Pure Zusage und Wertschätzung.

Und warum nicht auch mal so:

Manche Menschen wissen nicht, wie wichtig es ist, dass sie da sind. Manche Menschen wissen nicht, wie gut es ist, sie nur zu sehen. Manche Menschen wissen nicht, Wie tröstlich ihr gütiges Lächeln wirkt. Manche Menschen wissen nicht, wie wohltuend ihre Nähe ist. Manche Menschen wissen nicht, wie viel ärmer wir ohne sie wären. Manche Menschen wissen nicht, dass sie ein Geschenk des Himmels sind.

Sie wüssten es, würden wir es ihnen sagen. Und das kann und darf ich Ihnen darum auch im Namen Gottes weitersagen.

Ihr seid das Salz der Erde. Und ihr seid das Licht der Welt. So ist es und so sei es. Oder auf Griechisch: Amen.