11. Dezember 2016 – 3. Advent

Lukas 3, 11-14

1 Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene,
2 als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.
3 Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,
4 wie geschrieben steht im Buch der Worte des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben!
5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden,

6 und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.«
7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.
9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun?
11 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso.
12 Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun?
13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!
14 Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!

Liebe Gemeinde,

„Bereitet dem Herrn den Weg!“ „Ja klar, was denn sonst?, sagen wir. Das ist doch Advent. Die Herren dieser Welt kommen und gehen, unser Herr aber kommt. Wir freuen uns auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dass nichts bleiben muss, wie es ist. Hoffen auf Weihnachten, Gott mitten unter uns. Hören das sehr wohl und auch gerne: „Bereitet dem Herrn den Weg.“

Aber muss das dann gleich eine derartige Publikumsbeschimpfung werden? Die Stimme des Predigers in der Wüste, der den Leuten die Sachen so was von um die Ohren haut? „Ihr Otterngezücht!“ So heißt das jetzt in der neuen Lutherbibel 2017. Vorher stand da „Schlangenbrut“. War mir irgendwie lieber, aber die neue Übersetzung ist schon ganz gelungen. Und die Buchausgabe macht auch was her.

Aber zurück zu dieser Art und Weise, wie Johannes der Täufer die Leute da ja fast schon beleidigt. Muss man sich das gefallen lassen? 2016 war doch schon genug, was uns Herz und Seele und auch Leben schwer gemacht hat. Auch wenn man nicht Angela Merkel heißt. Muss man sich so was und dann auch noch in der besinnlichen Zeit vor Weihnachten antun und anhören? „Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“ Es ist ja fast so wie in manchen Predigten, wo die Leute, die gekommen sind, dann auch noch beschimpft werden, oder denen nur noch vorgejammert wird, wie schlecht und schwer das jetzt alles mit Kirche und Gemeinde ist. Und es könnte doch so schön sein in dieser Zeit. Und müsste es auch. Aufatmen, neue Perspektiven finden.

Na gut, ich selbst – und einige wissen das – ich selbst muss da jetzt etwas vorsichtig sein. Denn so vor knapp 50 Jahren, ich war damals in Brackwede in der Jugendarbeit im CVJM aktiv, da wollten wir – auch in der Tradition von Advent und Johannes dem Täufer – vor Weihnachten in der großen Bielefelder Tageszeitung (Freie Presse hieß die damals, wir haben das leider wörtlich genommen ) eine Annonce schalten lassen: „Alle Fress- und Sauforgien zu meinem Geburtstag verbitte ich mir. Jesus, Josephs Sohn.“ Das ist dann wegen Geschmacklosigkeit abgelehnt worden.

Doch wenn man sieht, was mittlerweile aus dieser Zeit vor Weihnachten geworden ist …

Zitat aus einem Spiegel-Interview: die christlichen Symbole wurden von der Schneeflocke verdrängt. Die heutige Dekoration ist eine Mischung aus Fantasyroman, Ikea und „Landlust“. …

Ein Weihnachtsmarkt in Berlin wirbt mit einem 90 Meter hohen Freifall-turm, einer in Hamburg mit Sexspielzeug. Was kommt als Nächstes? … (Ich will es lieber erst gar nicht wissen.)
Die Karnevalisierung wird voranschreiten. Wenn die Weihnachtsmärkte eine Zukunft haben wollen, müssen sie verschiedene Lifestyles bedienen und zum Beispiel veganes Essen, exotische Getränke und aufregende Fahrgeschäfte bieten.“
Highway to hell, ganz klar.

Also, wenn man sieht, was mittlerweile aus dieser Zeit vor Weihnachten geworden ist. Wobei das große Geld ja mittlerweile mit Essen und Trinken gemacht wird, bei manchen Ständen auf dem Weihnachtsmarkt 70 % des Jahresumsatzes. (Jemand hat schon das Lied von den dicken roten Kerzen umgedichtet: „Trinkt euch erstmal breit, macht euch so bereit …) Und den Kunstgewerblern muss man wohl irgendwann Geld geben, damit die überhaupt noch kommen. Also, wenn man sieht, was mittlerweile aus dieser Zeit vor Weihnachten geworden ist warum haben wir uns dann damals so abspeisen lassen? Und um wie vieles aktueller wird da solch ein Prediger in der Wüste? Zumindest mit dem Gedanken, dass eine gewisse Eindeutigkeit der Christen und der Kirche da nicht schaden könnte. Gerade wo es fast nur noch um die Form geht. Es geht doch um den Inhalt. Darum, wie wichtig uns Advent und Weihnachten sind. Und was es ist.

Nur, gerade wenn es in der letzten Fastenaktion nur noch darum ging, unter dem Motto „Du bist schön“ Streicheleinheiten ohne Ende zu verteilen, ja dann ist mir doch inzwischen jeder Nikolaus samt Knecht Ruprecht lieber, der die Leute mal wieder richtig strammstehen lässt und ihnen den Scheitel nachzieht.

Aber der war ja nun schon, und unsere kirchliche Tradition verweist uns ja nun mal in dieser Zeit und gerade am 3. Advent auf Johannes und sein „Bereitet dem Herrn den Weg“. Und auf die Frage, ob er denn wirklich wegen solcher Äußerlichkeiten – gut, ich geh dann auch mal auf den Weihnachtsmarkt, am liebsten nach Soest. Denn die Krippe dort im Dom, ich finde, die ist ein absolutes Muss – ob er denn wirklich wegen solcher Äußerlichkeiten dermaßen auf Krawall gebürstet ist. Oder ob ihm, Johannes, nicht auch anderes viel wichtiger ist. Und dann wird es doch ein bisschen ernster.

Eine zutiefst anrührende und traurige Geschichte erzählt die Polin Hanna Krall (geboren 1935). Ein Mann schlief und aß kaum; lebenslang, heißt es. Als man ihn einmal nach dem Grund fragte, antwortete er:

Als ich neun Jahre alt war, weckte mich eines Morgens mein Vater, ein besonders rechtschaffener, gläubiger Mann, spannte die Pferde an und wir bestiegen den Wagen. Dann fuhren wir in den Wald. Mein Vater betrat eine Hütte und kam mit einem jungen Mann heraus. Auf dem traurigen Antlitz des jungen Mannes lag ein eigenartiges Leuchten. Die beiden flüsterten eine Weile, umarmten sich dann und weinten, wie ich von ferne sah. Dann ließ mein Vater den Mann zurück, der wieder in seine Hütte ging. Als wir auf der Heimfahrt waren, fragte ich meinen Vater: „Vater, wer war der junge Mensch mit dem Leuchten im Angesicht?“ Mein Vater sagte: „Das war der Messias, der Sohn Davids.“ – „Was wollte er denn von uns?“, fragte ich. Mein Vater schwieg lange. Wieder hatte er ein paar Tränen in den Augen. Dann sagte er zu mir: „Er hat mich gefragt, ob es schon Zeit sei, ob er schon kommen kann. Ich musste ihm die schreckliche Wahrheit sagen: Noch wartet niemand auf dich.“

Wirklich nicht? Die Leute damals jedenfalls, bei Johannes, die haben gemerkt, dass ihrem Leben was fehlt. Ich denke wir auch, denn das kann doch noch nicht der Endzustand gewesen sein, Dezember 2016. Und wenn man gar nichts mehr hoffen würde, nichts, auf das man sich freuen könnte und wollte, was wäre das ärmlich.

„Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun?
11 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso.
12 Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun?
13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!
14 Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!“

Das ist schon sehr eindeutig, und wenn ich das alles auf einen Gedanken bringen sollte: „Sucht das Wesentliche, und beschränkt Euch auch aufs Wesentliche. Anders geht Zufriedenheit nicht.

Aus dem Lied „Leichtes Gepäck“ von der Gruppe Silbermond , übrigens im Anfang mal eine kirchliche Band aus Bautzen. Ja, Sie haben Recht, was ist aus dieser Stadt geworden.

Leichtes Gepäck

Eines Tages fällt dir auf
dass du 99% nicht brauchst
Du nimmst all den Ballast
und schmeißt ihn weg
Denn es reist sich besser
mit leichtem Gepäck

Du siehst dich um in deinem Wohnung
Siehst ein Kabinett aus Sinnlosigkeiten
siehst das Ergebnis von Kaufen
und Kaufen von Dingen
von denen man denkt
man würde sie irgendwann brauchen
Siehst die Klamotten die du
nie getragen hast und die du
nie tragen wirst und trotzdem
bleiben sie bei dir

Zu viel Spinnweben und zu viel Kram
Zu viel Altlast in Tupperwaren

Nicht nur ein kleiner
Hofstaat aus Plastik auch
die Armee aus Schrott und Neurosen
auf deiner Seele wächst immer mehr
hängt immer öfter Blutsaugend an deiner Kehle

das alles loszuwerden

Ab heut
nur noch die wichtigen Dinge
Und eines Tages
fällt dir auf
Es ist wenig was du wirklich brauchst
Also nimmst du den Ballast
und schmeißt ihn weg
denn es lebt sich besser
so viel besser
Mit leichtem Gepäck

Ein Plädoyer, wie bei Johannes, auch gegen die Gier, die anscheinend unausrottbar ist, im Großen wie im Kleinen. Aber, einfach ist das nicht, sich aufs Wesentliche zu beschränken. Doch bereitet dem Herrn den Weg. Und gegen den ganzen Trubel und die scheinbare Leichtigkeit vor Weihnachten, da klingt das immer noch eher so schrecklich ernst und düster. So als hätte man sich als Christ nur die dunkle Seite ausgesucht.

Aber (von Mascha Kaleko):

Die Nacht, in der das Fürchten wohnt,
hat auch die Sterne und den Mond.

Amen