29. Mai 2020

Tegeslosung

Meine Zunge soll reden von deiner Gerechtigkeit und dich täglich preisen.

Psalm 35,28

Die Jünger kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

Lukas 24,52-53

Es ist die Befreiung nach dem totalen Lockdown. Wobei es ja erstaunlich ist, wie schnell einem solche Begriffe wie der Lockdown geläufig werden. Aber hier, bei den Emmaus-Jüngern im Lukasevangelium könnte das passen: Zuerst der Lockdown nach dem Tode Jesu, alles auf Null gestellt, die einen ziehen sich ins Versteck zurück und wollen nicht mehr raus, die anderen flüchten in sichere Gefilde nach Hause, nach Emmaus.
Jedes Jahr habe ich diese Geschichte zu Ostern gelesen, wo nach totalem Scheitern und Rückzug das Leben auf einmal wieder förmlich explodiert. Sie erfahren, die einen in Jerusalem durch die Frauen, die vom Grabe kommen, die beiden in Emmaus durch Jesus selbst: Das war nicht das Ende, das wird ein völlig neuer Anfang, der auch die Welt wenn nicht auf den Kopf aber doch völlig neu auf die Füße stellt. Ostern. Der Herr ist auferstanden. Die Befreiung vom totalen Lockdown. (Ja, Wiederholung, aber irgendwie hat es mir diese Formulierung heute angetan.)

Das alles wird zu Pfingsten noch einmal bekräftigt, spätestens übermorgen ist das zu hören, endlich auch wieder in unseren Kirchen. Und wir wünschen uns natürlich alle in diesem Zusammenhang, dass diese Befreiung vom Lockdown auch jetzt bei uns was wird – und dass dann auch alles gut wird. Hoffentlich.
Denn Anfang der Woche bekam ich eine Einladung, in der betont wurde, dass eine zweite Corona-Welle für den Herbst befürchtet wird. Gestern hat dazu dann eine unserer Ärztinnen die Befürchtung geäußert, dass diese zweite Welle schon durch das bevorstehende Pfingstwochenende „eingeläutet“ werden könne, dann, wenn die Leute einfach nicht mehr an Vorsicht und Abstand denken. Es sei ja (immer?) alles gutgegangen.
Und heute kam, fast wie eine Bestätigung, noch die Meldung, dass sich in Bremerhaven beim Gottesdienst einer Pfingstgemeinde zunächst mal 20 von 150 teilnehmende Leuten infiziert hätten. Muss und darf man dem lieben Gott jetzt alles zutrauen, weil er ja auf unserer Seite ist und uns dann nichts passieren kann? Oder muss und darf man ihn eben nicht versuchen?

Ich mache es so wie gestern, ich frage danach, was und wie es werden könnte, wenn dem Leben die Fesseln des großen Todes und auch des kleinen Todes der Isolation abgenommen werden. Mit einem Gedicht von Marie Luise Kaschnitz:

Glauben Sie fragte man mich
An ein Leben nach dem Tode
Und ich antwortete: ja
Aber dann wusste ich
Keine Auskunft zu geben
Wie das aussehen sollte
Wie ich selber
Aussehen sollte
Dort

Ich wusste nur eines
Keine Hierarchie
Von Heiligen auf goldnen Stühlen sitzend
Kein Niedersturz
Verdammter Seelen
Nur

Nur Liebe frei gewordne
Niemals aufgezehrte
Mich überflutend

Kein Schutzmantel starr aus Gold
Mit Edelsteinen besetzt
Ein spinnwebenleichtes Gewand
Ein Hauch
Mir um die Schultern
Liebkosung schöne Bewegung
Wie einst von tyrrhenischen Wellen
Wie von Worten die hin und her
Wortfetzen
Komm du komm
Schmerzweb mit Tränen besetzt
Berg-und-Tal-Fahrt
Und deine Hand
Wieder in meiner

So lagen wir lasest du vor
Schlief ich ein
Wachte auf
Schlief ein
Wache auf
Deine Stimme empfängt mich
Entlässt mich und immer
So fort

Mehr also fragen die Frager
Erwarten Sie nicht nach dem Tode?
Und ich antworte
Weniger nicht.

Es fehlt noch ein völlig banaler und profaner Nachtrag zu den Mairübchen und den Ostergruß-Rettichen die ich angebaut habe. Blog-Leserinnen und -Leser werden sich erinnern. Gestern war die erste Ernte, siehe Bild.
Resultat eins: Die Früchte müssen sehr gut sein und gesund, tausende von Maden und ihre Verwandten können nicht irren.
Resultat zwei: Von dem, was auf dem Bild zu sehen ist, haben wir ein knappes Fünftel rausschnippeln und essen können, kleingewürfelt und mit Salz, Limette usw. angemacht.
Resultat drei: Das war sehr lecker.
Resultat vier, so wie damals in der Hitparade: Wird nicht wiedergewählt (bzw. wird nicht wieder angebaut).