Overhagen und Benninghausen am 09. und 10. Mai 2015

Rogate 2009

Johannes 16, 23b -28+33 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben. (24)Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei. (25)Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Zeit, daß ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. (26)An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten will; (27)denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, daß ich von Gott ausgegangen bin. (28)Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. (33)Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Liebe Gemeinde,

Nichts ist umsonst

Ein weiser Mann versuchte seinen Schülern weiterzugeben, dass nichts umsonst sei, und dass man von allem, was Gott auch durch den Menschen geschaffen und zugelassen habe, etwas lernen könne.

Darauf fragte ihn ein Schüler: „Und was lernen wir dann von der Eisenbahn?“

„Dass man um eines Augenblicks willen alles verpassen kann.“

„Und von einem Telegramm?“

„Dass jedes Wort gezählt und berechnet wird und wichtig ist.“

„Und vom Telefon?“

„Dass man dort hört, was hier gesprochen wird.“

Rogate, so heißt dieser Sonntag. Betet. „Dass man dort hört, was hier gesprochen wird.“

Und so treffen wir uns in unserer Kirche, um zu singen und zu reden, aber auch zu beten und zu hören. Denn Gott hört uns.

Und darum betet, denn wie wollen wir sonst mit Gott in Kontakt bleiben, und ein Kontakt, der nicht gepflegt wird, das ist mit Freundschaften nicht anders als mit dem Glauben, der reißt ab. Darum faltet eure Hände und redet mit Gott, Und redet mit ihm, wie euch zumute ist und wie euch der Schnabel gewachsen ist, bei ihm ist das, was euch auf der Seele liegt und im Leben drückt an der richtigen Adresse, er weiß schon, wie es gemeint ist.

Also: heute schon gebetet? Nein, nicht ich, das weiß ich selber, Ihr und Sie. Und die einen denken jetzt bestimmt, und gucken sehr sparsam und eher weg dabei: Kann er doch so nicht fragen. Ist doch indiskret. Über Angst und über Beten, da redet man doch nicht, das geht doch keinen was an. Und das fände ich sehr schade.

Und die nächsten, die gucken auch sparsam, aber in meine Richtung: Wieso wir? Kannst Du doch für uns machen, Du bist doch der Pastor. Leg doch mal beim lieben Gott ein gutes Wort für uns ein.

Diese Formulierung übrigens hat mir oft geholfen. Wenn ich Leute besucht habe, deren Religiosität ich nicht einschätzen konnte. Oder ich nicht einfach sagen konnte: Dann lassen Sie uns doch mal beten. Oder auch bei denen, die es mit dem lieben Gott gar nicht so hatten. Dafür aber große Not und mehr als nur Sehnsucht nach guten Worten und Hilfe. Da war das oft so etwas Ähnliches wie ein Türöffner: Soll ich oder sollen wir beim lieben Gott mal ein gutes Wort für sie einlegen?

Und das mach ich gerne, nicht zuletzt, weil ich weiß, dass so manches, was ich mit gefalteten Händen zum Kreuz hin gesagt habe, gut getan hat und angekommen ist und geholfen hat, wie auch immer. Aber wenn das Gebet vergleichbar ist der Königin im Märchen, die als einzige ständigen Zugang zu Ohr und Herz des Königs hat, dann fände ich es auch schade, wenn die gerade Genannten und auch Ihr diese Chance nicht nutzen und sich immer nur vertreten lassen würden.

Denn: Der allmächtige Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, der die Welt trägt und schützt,

der nimmt uns, ausgerechnet uns, mit unseren kleinen und oft kleinlichen Sorgen Ernst,

er ist sich nicht zu schade, sich mit uns fehlerhaften Gestalten und Stümpern abzugeben,

und der hat sich uns, ausgerechnet uns zu seinen Partnerinnen und Partnern ausgesucht, diese Welt zu gestalten.

Er stillt den Hunger des Leibes und den Durst der Seele.

Und er lässt unsere Seele aufblühen und emporsteigen, sie bekommt Anteil an seiner Ewigkeit.

Also: Redet mit Gott. Auch und gerade um euretwillen.

Und dann sind da noch die, die sich und dem Gebet überhaupt nicht trauen.

Aber: wenn das Märchen vom Froschkönig mit dem Satz beginnt „In alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat.“, dann sagen die gerade gelesenen und hoffentlich auch gehörten Worte Jesu nichts anderes als „Ihr lebt in Zeiten und mit einem Gott, wo das Beten noch hilft“. Nicht mehr und nicht weniger. Da kommt es doch wenigstens auf einen Versuch an: Betet. Oder anders: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise, wie einem Vogel, die Hand hinhalten“, so Hilde Domin.

Und jeder Kirchturm weist darauf hin: Da wird für viele andere mitgebetet, auch wenn sie nicht da sind, aus welchem Grund auch immer. Selbst im kleinsten Gottesdienst, der auch darum schon seinen Sinn hat.

Und die gefalteten Hände sind das sichtbare Zeichen: Diese Welt hat ihren Endzustand noch nicht erreicht. Da ist noch so viel offen,

Und natürlich darf man Bonhoeffers Einwurf nicht vergessen: „Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen.“ Aber wenn eine Welt, in der es keine Wünsche und keine Bitten mehr gibt, wenn solch eine Welt auch keine Zukunft mehr hat, dann nehmt das für bare Münze, dass unser Beten hilft. Rogate. Betet. Und schießt dabei über alle Ziele hinaus. Sprecht ohne Absicherung. Sagt und wünscht alles, was Euch auf dem Herzen liegt und in der Seele brennt. Und sagt es ohne Augenmaß, damit hat man uns und unsere Hoffnungen schon lange genug klein gehalten und beschnitten. Sagt es mit dem Maß Eurer Seele und Eurer Sehnsucht. Denn ihr habt einen Herrn und Gott, bei dem das Wünschen und Beten noch hilft.

Und wenn Euch das alles zu euphorisch, zu positiv, zu blauäugig oder auch zu fromm sein sollte, dann bedenkt wenigstens die Worte von Erich Fried:

Aufhebung Sein Unglück ausatmen können tief ausatmen so dass man wieder einatmen kann Und vielleicht auch sein Unglück sagen können in Worten in wirklichen Worten die zusammenhängen und Sinn haben und die man selbst noch verstehen kann und die vielleicht sogar irgendwer sonst versteht oder verstehen könnte Und weinen können Das wäre schon fast wieder

Glück

Rogate. Betet. Denn ihr habt einen Herrn und Gott, bei dem das Wünschen und Beten noch hilft.

Amen