5. Mai 2020

Tageslosung

Gott breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens.

Hiob 9,8.9

Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare.

Kolosser 1,15-16

Es lohnt schon, bei manchen Sätzen und Gedanken näher hinzuschauen, anstatt das sofort abzunicken. Die Tageslosung klingt plausibel, sie klingt auch nach Verehrung und Lob Gottes. Doch wenn man nach dem Zusammenhang fragt, erkennt man noch ein anderes Interesse.
Es geht um Hiob, diesen von Gott und dem Leben geplagten Mann, der, wie ich finde, zu Recht hadert und dabei auch mit Gott über Kreuz liegt: „Warum ich, und warum tut er mir das an, und womit habe ich das verdient?“
Und dann kommen drei Freunde, die man auch die drei Tröster nennt, und versuchen, ihn von dieser Haltung abzubringen. Unter anderem eben mit der Aussage, Gott sei so groß und sei über alles erhaben, da wisse der schon, was und warum er das tue. Deswegen habe Hiob einerseits kein Recht, zu klagen oder sich mit Gott anzulegen, und andererseits solle und müsse er das annehmen: „Gib dich zufrieden und sei stille.“ Ich habe das in diesem Blog schon mal zitiert.
Da ist nichts Falsches dran, aber ist das auch menschlich oder gar barmherzig? In meiner Anfangszeit als Pfarrer war es durchaus normal und üblich, bei Beerdigungen einen anderen Vers aus dem Buch Hiob zu zitieren: „Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des HERRN sei gelobt.“ (Hiob 1,21) Das wurde auch gesagt bei Beerdigungen von Kindern. Ich fand das grauselig und konnte das nie sagen.

Es lohnt sich, manchmal genauer hinzuschauen, wenn wer was sagt. Und man kann Dinge auch so oder so sagen, gerade in der jetzigen Krise mit all ihren Beschränkungen und möglichen Folgen.
Von einem Politiker der Grünen stammt die Aussage: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“
Von Bundestagspräsident Schäuble soll der Gedanke in einem Interview geäußert worden sein: Der Mensch hat ein Recht auf Leben, aber nicht auf Unsterblichkeit.
Ich will beides hier nicht kommentieren, aber die Frage, die dahinter steht, bewegt mich schon.

Vier meiner ehemaligen Konfirmanden sind betroffen, so oder so. Und das sind nur die, von denen ich das weiß.
Der eine ist Event-Manager, wie man heute sagt, gerade am Anfang seiner Laufbahn. Der muss sich jetzt irgendwie über Wasser halten, Rücklagen hat der noch keine.
Der zweite hat viel mehr Zeit als sonst, nutzt sie, um die Gottesdienste der Gemeinde ins Internet zu bringen, aber der hat eben auch einen richtigen Beruf.
Der dritte ist im Catering-Geschäft, einer der Hauptkunden ist die Lufthansa. Und die fliegt nicht mehr.
Und der vierte hat gerade noch 2 Tage Arbeit die Woche, und, das merkte ich, als mit ihm sprach, macht sich angesichts seines Alters da schon seine Gedanken, wie es weitergehen wird.
Und dann ist da noch der Asylbewerber aus unserer Gemeinde, dem in seinen 10 oder 12 qm die Decke auf den Kopf kommt. Ab und zu versuche ich, ihn zu treffen. Und – und – und.
Da ist allerdings auch der Eventservice in Anröchte, der auf seinem Gelände so eine Art Drive-In-Kirmes eröffnet hat. Die Autos stehen Schlange, 60 bis 90 Minuten Wartezeit. Und wenn deutsche Autofahrer so was in Kauf nehmen, dann weiß man, dass es uns und unserem Leben da zur Zeit an einigem fehlt.
Bestimmte Fragen werden wohl – siehe oben – gestellt und beantwortet werden müssen. So oder so. Ich hoffe, barmherzig und richtig.

Und suche dabei immer wieder nach Bildern dafür, dass das Leben weiter geht. Zwei habe ich gestern gefunden, wobei man bei dem einen etwas genauer hinschauen muss, um die Entenfamilie zu erkennen. In meinem nächsten Leben werde ich ein besseres Teleobjektiv am Smartphone haben oder mehr Geduld, auf das bessere Bild zu warten. Versprochen.