Ostern 2025 – Bad Westernkotten

Liebe Gemeinde,

es gibt ja Leute, die lassen sich, bevor sie sich einen Film anschauen, die lassen sich da erstmal alles in allen Einzelheiten erzählen oder empfehlen, bevor sie sich den Film selbst angucken. Einfach auf Nummer Sicher gehen, ob sich das auch lohnt. Oder andere, und da finde ich das noch extremer, die lesen von einem Buch, insbesondere von Krimis, erstmal das Ende. Die wollen das Ende wissen. Wie es ausgeht. Das ist wichtiger für sie als alles andere.

Und es gibt eben Leute, die freuen sich bei jedem Buch, bei jedem Film darauf, das von Anfang an zu sehen und zu lesen und zu genießen und auskosten zu können.

Und ob sie das jetzt erwarten oder nicht, dies Beispiel oder diese Beispiele, eben die Frage, vom Anfang oder vom Ende her leben, sich auf den Anfang freuen und dem trauen oder auf da Ende fixiert sein, fast gefesselt, die haben für mich ganz viel mit Ostern zu tun. Aber auch mit Religion und mit anderen Religionen und deren Vergleichbarkeit zu tun.

Denn, einige wissen das, wir hatten das Glück im März eine Reise nach und durch Ägypten machen zu können. Zum einen fast eine Woche nur Wüste, ohne alles, ohne jeden Komfort, nur Wüste. Und dann weiß man, wie Leute, die es mit unserer Kirche ernstmeinen, wie die sich derzeit fühlen.

Aber da war noch was anderes, sie wissen das von Ägypten: Bauten, bis über 3000 Jahre alt, Pyramiden, Tempel und vor allem auch Gräber, wo man nur staunen konnte, wie die Menschen damals so was geschafft haben. Unvorstellbar. Auch in ihrer Pracht.

Aber nachdem ich fast eine Woche lang da aus dem Staunen und Bewundern nicht mehr rausgekommen bin, machte sich bei mir so was breit wie eine kleine Depri.

Zum einen wegen der Grabmäler. Was steckte da für Energie, Arbeitskraft, Wissen, Technik und was steckten da über Jahrzehnt auch Opfer drin. Und, da wurde ja alles reingepackt, was man für ein Luxusleben brauchte.  Und wofür? Damit es – meist den hohen Herrschaften und vordringlich denen – im Jenseits auch gut ging. Da war das ganze Werk, die ganze Herrschaft, die ganze Pracht auf Jenseitigkeit ausgerichtet. Aus Angst, wie ich finde. Und das Hier und Jetzt war Vorbereitung. Unvorstellbar, aber auch unvorstellbar im anderen Sinn des Wortes. Das ganze Leben mehr oder weniger nichts wert, nur Vorbereitung auf ein wie auch immer geartetes Jenseits. Selbst wenn man das „Die Gefilde der Seligen“ genannt hat.

Und als uns dann immer wieder erzählt wurde, dass die meisten dieser Anlagen nach Westen hin ausgerichtet waren, also zum Sonnenuntergang hin, aufs Ende, da ging es mir plötzlich richtig gut. Mir ging es und geht es auch so richtig gut, tolle Reise. Aber bei dieser Ausrichtung nach Westen, ja da fiel mir doch sofort ein: Unsere Kirchen sind in der Regel nach Osten ausgerichtet, da wo die Sonne aufgeht, da wo das Leben richtig losgeht. Hier und jetzt. Der Anfang ist wichtig. Oster, die Auferstehung zum Leben.

Und ich weiß nicht wirklich, was da Ostern passiert ist in Jerusalem, aber was ich weiß ist: da ist etwas auf einen Anfang hin ausgerichtet. Aus einen versprengten und ängstlichen Grüppchen voll verzagter Menschen, da wurden Leute, die einen neuen Anfang sahen, die dem Leben trauten, die mit riesiger Vorfreude, mit Mut und Zuversicht und auch unendlicher Kraft neu angefangen haben. Mit der Erfahrung und der Zusage ihres Herrn: Ich lebe und ihr sollt auch leben. Hier und jetzt. Im Diesseits. Und die Erde ist schön, es loht sich zu lieben und es lohnt sich, sie zu bebauen und zu bewahren.

Das ist passiert damals. Und deshalb glaube ich an die Auferstehung. Und daran, dass es mit den Tatsachen dieser Welt noch nicht abgetan ist. Dass die Putins und Trumps, die Greuel in Gaza und im Sudan, all die Despoten und Tyrannen, dass sie nicht das letzte Wort haben. Denn das damals, das hat die Menschen und die Welt verändert, wird sie weiter verändern, bis heute. Den neuen Anfang immer wieder wagen zu können. Denn die Herren der Welt kommen und gehen, unser Gott aber kommt. Eine Religion, zum Anfang ausgerichtet, ein Glaube ohne Angst.

Und dazu noch ein anderer Gedanke: Die ganzen Bauten damals, in all ihrer bis heute sichtbaren Größe und Pracht, die sollten die Götter und die Pharaonengötter ehren, ihre Größe dokumentieren. Nur die waren wirklich wichtig. Und die Menschen zählten nichts, waren allenfalls Werkzeuge. Hatten gehorsam zu sein. Es ist uns deshalb auch in anderer Hinsicht besonders aufgefallen, weil gerade Ramadan war. Fast 40 Grad und tagsüber nichts trinken, nichts essen usw., dafür aber arbeiten. Die Muslims mögen wir verzeihen, und wenn ihnen das wichtig ist und sie erfüllt, dann sollen sie es auch machen. Aber diese Art von Glauben ist für mich kein Vertrauen sondern Unterwerfung.

Und dann bin ich nochmal bei Ostern. Wo er, Jesus ihnen das Leben zutraut und die Zukunft in ihre Hand legt: Gehet hin in alle Welt …. Will nicht oben im Himmel weit weg verehrt und bewundert werden, nein, er sagt, ich bin bei euch. Und nichts, weder leben noch Tod, weder Engel oder andere Mächte, weder Hohes noch Tiefes noch irgendein anderes Geschöpf kann uns trennen von ihm. Darum starrt nicht aufs Ende, denkt nicht vom Ende und einer Jenseitigkeit her. Lest das Buch des Lebens von vorn, von Ostern her. traut diesem Anfang, zumal das vielleicht heute der letzte Ostergottesdienst in diesem Haus ist. Traut ihm  trotzdem, denn mit ihm gibt’s Neuanfang und Zukunft. Denn der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.

Amen

Heilgabend 2024 – Predigt

Liebe Gemeinde,

auch wenn die Weihnachtsgeschichte, die ich gefunden habe und als Einstieg vorlesen möchte, auch wenn die für manchen Geschmack vielleicht etwas viel Augenzwinkern enthält, ich halte die für geeignet.
Natürlich habe ich nach Magdeburg und dem Anschlag noch mal lange überlegt, welche Stimmung man oder ich verbreiten dürfe oder nicht. Geholfen hat mir da ein Satz des Leipziger Trainers Marco Rose. Von dem ich nicht erwartet hätte zu hören: Wir können und sollen für all die Betroffenen beten. Was wir tun wollen. In Verbindung aber mit einem anderen Gedanken: Wenn wir als Folge der unzähligen Untaten von der Ukraine bis hin zum Nahen Osten und als Folge eines solchen Verbrechens uns nur noch zurückziehen, berechtigt trauern aber eben auch nur noch Angst haben, dann haben die, die solche Verbrechen begehen, dann haben die uns und unser Leben zerstört, uns in Haft genommen und sie haben gewonnen. Also lasst uns beten und tun, was wir tun können, aber lasst uns weiter dem Leben trauen und der Liebe, die stärker ist als aller Hass. Nur so wird es eine andere Welt geben und die Finsternis wird nicht das letzte Wort behalten.
Und so soll diese Geschichte, die ich gefunden habe, so eine Art Denkanstoß sein, oder eine Eselsbrücke oder so etwas wie ein Knoten im Taschentuch, um die Weihnachtsbotschaft daran zu festzumachen. Um zu merken und zu behalten, was Weihnachten bedeutet und gemeint ist.

So weit diese Geschichte. Und klar, Ausgangspunkt der Weihnachtsgeschichte, das war eine Steuerschätzung. Da ging es ums Geld. Aber das, was dann daraus wurde, das war eine ganz andere Art von Schätzung. Oder besser: Wertschätzung. Gott schätzt uns. Wir sind ihm unendlich wichtig und liegen ihm am Herzen. Er schätzt uns so sehr, dass er selbst einer von uns wurde.

Und das hat Konsequenzen. Zum einen und ersten, dass wir uns auch untereinander wertschätzen. Auch wenn das manchmal schwerfallen kann. Anerkennen, Hochhalten. Mit Empathie begegnen. Denn wie können und sollten wir die oder den abwerten oder gar niedermachen, den oder die Gott so sehr schätzt und wertschätzt. Und was da so banal klingt, ist alles andere als das. Im privaten und persönlichen Bereich sowieso. Aber auch in einer Welt, wo einer den anderen doch eher verachtet, in einer Zeit, wo an aller Welt Kritik geübt wird, wo nur noch, wie es oft scheint, mit Lust nach Fehlern gesucht und mit Shitstorm und Cancel-Kultur agiert wird. Und ich werde hier keine Lanze für die noch amtierende Bundesregierung brechen, aber hat irgendjemand mal erwähnt oder gar geschätzt, dass wir trotz allem Heinzungswirrwar, was sie veranstaltet hat, dass wir warm und mit zivilen Heizkosten durch diese Zeit seit dem Ukraine-Krieg gekommen sind? Einander schätzen, im Großen wie im Kleinen.

Noch wichtiger ist mir aber: Wenn Gott uns so schätzt, er auf unserer Seite, in unserer Mitte, und das ist nicht irgendwer, das ist der Herr aller Herren – und übrigens, man kann an den lieben Gott glauben oder nicht, es gibt ihn trotzdem – wenn Gott uns so schätzt, der Herr aller Herren, was verleiht uns das für einen Wert. Und was können wir dann unserer Stimme alles zutrauen. In Zeiten, die, so scheint es, immer finsterer werden. Wo Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit immer noch wachsen und nachwachsen wie Unkraut. Unsere Stimme zu erheben gegen diese apokalyptische Grundstimmung und gegen das autokratische Gebrüll. Gegen Autokraten und Nationalisten ohne Ende. Weil er uns so sehr schätzt.

Mein Lieblings-Advents- oder Weihnachtslied dieses Jahr steht nicht im Gesangbuch, ist eigentlich auch nur zum Zuhören. (Das Lied ist von Leonard Cohen, dem kanadischen Poeten und Sänger, der 2016 gestorben ist. Sie kennen vielleicht sein „Halleluja“. Aber das Lied, das ich meine, heißt „Anthem“ = Hymne. Wenn sie es hören wollen: Cohen und Anthem = Hymne googeln). Dieses Lied bietet eine sehr nüchterne Zeitanalyse: Die Kriege werden weitergehen. Die heilige Taube, die Friedentaube, wird wieder und wieder eingefangen werden. Es gibt Gesetzlosigkeit und es gibt Scheinheiligkeit. Menschen, die töten, sprechen zugleich lauthals Gebete. Die Zeichen sehen nicht gut aus. Sie stehen auf Sturm. Also finster ist es, zappenduster. Und die Angst rieselt in jeder Pore unserer Gesellschaft.

Aber, so sagt und singt er dann: In jeder Finsternis, in jedem Dunkel, da ist ein Riss. Ein Riss, durch den Licht hereinkommen kann.

Keine Finsternis ist so geschlossen, dass nichts mehr durchdringen kann. In jeder dunklen Wirklichkeit, die unausweichlich scheint, gibt es eine Bruchstelle, an der sich die Dinge ändern können.

Die Welt ist noch da. Die Dunkelheit ist noch da. Aber durch einen Riss im System kommt Licht herein. Und Weihnachten, diese Wertschätzung Gottes, ist da mehr als nur ein Riss. Und in diesem Licht kann und wird die Welt nicht so bleiben, wie sie ist.

Amen