8. Februar 2015 in Erwitte und Anröchte

08.02.2015 – Lukas 8, 4-15

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: (5)Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. (6)Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. (7)Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. (8)Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! (9)Es fragten ihn aber seine Jünger und sprachen, was dies Gleichnis wäre? (10) Er aber sprach: Euch ist es gegeben, zu wissen das Geheimnis des Reiches Gottes; den andern aber in Gleichnissen, daß sie es nicht sehen, ob sie es schon sehen, und nicht verstehen, ob sie es schon hören. (Jesaja 6.9-10) (11) Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. (12) Die aber an dem Wege sind, das sind, die es hören; darnach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, auf daß sie nicht glauben und selig werden. (13) Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an; und die haben nicht Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab. (14) Das aber unter die Dornen fiel, sind die, so es hören und gehen hin unter den Sorgen, Reichtum und Wollust dieses Lebens und ersticken und bringen keine Frucht. (15) Das aber auf dem guten Land sind, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld

Liebe Gemeinde,

das Gleichnis von der 4-fachen Saat: Es ging ein Sämann aus, zu säen. Die Botschaft von einem menschenfreundlichen Gott. Von einem Gott, so wie Jesus ihn gelebt und erzählt hat. Von einem Gott, ewig und allmächtig, und den gibt es wirklich. Von einem Gott, der sich nicht irgendwo hinter Wolken versteckt und dem es nicht reicht, hoch oben verehrt zu werden, sondern ein Gott, der bei den Menschen sein will und für sie da, der sie begleiten will und tragen in dieser Welt und im Universum, ihnen Lebenssicherheit geben will und festen Boden unter den Füßen mit seinem Segen und seiner Liebe, die stärker ist als alle Wechselfälle dieses Lebens, und dem sie darum vertrauen können im Leben und im Sterben. Und diesen Gott, diese Botschaft der Bibel gilt es, zu 100 Prozent unter die Leute zu bringen.

Und wir, die wir dazu dies Gleichnis von der vierfachen Saat so hören, und die wir immer gleich ökonomisch denken und nach der Kosten-Nutzen-Relation fragen, wir denken dann oft sofort: Ganz schön miese Quote und ganz schön viel Ausfall. Ist ja nicht gerade viel, 25 Prozent. Da müsste man Konsequenzen ziehen.

Vielleicht so wie gerade in Lippstadt. Da ist ein Kollegenpaar krank geworden. An dieser Stelle alles Gute an die beiden. Ich kenne und schätze sie sehr. Und weiß übrigens nicht, ob ich erfreut wäre, von meiner Krankheit so lang und breit in der Zeitung zu lesen. Aber in diesem Zusammenhang hat man in Lippstadt eben festgestellt, dass man nicht mal 25 Prozent der Leute erreicht sondern so gerade mal 5 Prozent. Und die Konsequenz: Man verkleinert den Acker, streicht die Gottesdienste zusammen. Kann man machen. Nur, jeden Landwirt würde man nicht gerade einweisen, aber ihn doch fragen, warum er sich die Erntemöglichkeiten dermaßen beschneidet. Vielleicht haben Sie ja gestern den Leserbrief der jungen Leute dazu gelesen.

Und, wer so denkt, muss sich die Frage gefallen lassen: wenn es in der Wirtschaft eine derart miese Quote gäbe, müsste man dann nicht über eine Änderung nachdenken? Das aber im Zusammenhang mit dem Austausch des Personals?

Berechtigte Gedanken, wie ich finde, aber das Gleichnis hat für mich noch eine andere Zielrichtung. Und, es ist eines meiner Lieblingsgleichnisse. Zum einen, weil ich eine versprochene Erfolgsquote von 25 Prozent richtig klasse finde. Und zum anderen, weil das für mich was Tröstliches hat. Wenn es mir sagt: Mach dich nicht verrückt und zweifel nicht, wenn mal nicht alles klappt. Du musst zwar schon alles geben, aber du bist eben nicht für den ganzen Erfolg verantwortlich. Du musst und kannst nicht 100 Prozent erreichen und die ganze Welt retten.

Darum fange ich auch mal mit mir selbst an. Als ich 1971 das erste Mal, damals noch als Student, die Gelegenheit zu einem Studienbesuch in den USA hatte, da fragte mich die Passbeamtin bei der Einreise in New York: „Will you become a minister?“ Und ich fragte mich: „Wieso soll ich Minister werden? Ich kann zwar singen <Hoch auf dem gelben Wagen>, aber sehe ich aus wie Walter Scheel?“ Der war nämlich damals Außenminister. Und erst später mit Hilfe der amerikanischen Kollegen kam ich dann drauf: <minister>, das ist die amerikanische Sammelbezeichnung für unser Wort <Geistliche>, wörtlich übersetzt <Diener>. Ob das unsere Minister immer wissen, sei dahingestellt, aber das lassen wir mal außen vor. Aber ich, ich habe daraus eine Menge gelernt, für mich und meinen Beruf und auch Amtsverständnis. Diener des Wortes und der Menschen zu sein, so wie Jesus das übrigens auch sagt. Und dann ist man natürlich manchmal versucht, trotzdem die Leute analog zum Gleichnis von der vierfachen Saat von vornherein einzuteilen.

Einzuteilen

– nach Dornenkindern, die von Reichtum und von Sorgen, von Krankheit und Bildschirmstarre (Geste für Smartfone zeigen), von Schuld und Lieblosigkeit förmlich überwuchert werden und sich überwuchern lassen. Also keine Chance.

– nach Steingewächsen, die zwar manchmal bei den Regenfällen von Hochzeits-, Konfirmations- und Beerdigungsfeiern sichtbar werden, oder die auch nach der Sonne des Heiligen Abends ein bisschen aufblühen, die aber danach wieder weg sind, dann allenfalls noch im Verborgenen ihr Dasein fristen.

– nach Vogelfutter, die nicht wissen, was sie wollen, aber das richtig gut, die auf jedes billige Heils- und Glücksversprechen sofort reinfallen, die aber so von den anderen ausgesaugt werden, und darum auch kraftlos bleiben, was soll man sich da noch bemühen.

– Und natürlich nach vielversprechenden Pflanzen mit starken Wurzeln und guten Wachstumsaussichten.

Also da ist man manchmal schon versucht, die Menschen analog zum Gleichnis von der vierfachen Saat von vornherein einzuteilen und entsprechend zu handeln. Aber Minister, Diener, heißt, für alle da zu sein. Und, das meint das Gleichnis von der vierfachen Saat wirklich, Kirche ist nur Kirche, wenn sie für alle da ist, und wenn für alle ausgesät wird. Verschwenderisch und reichlich für alle, so wie Gott seine Sonne scheinen lässt – und wir sollten froh sein, dass das so ist – scheinen lässt über Gerechte und Ungerechte, und ohne nach Nutzen und Erfolgsaussichten zu fragen.

Auszusäen auch an die Stumpfen und Desinteressierten, denn wer weiß, welche Schwäche sie damit verbergen wollen und welchen Zuspruch sie brauchen..

Auszusäen auch an die U-Boot-Christen, die nur ab und zu auftauchen, denn auch daraus spricht eine Sehnsucht nach dem Mehrwert im Leben.

Auch an die oft – wie ich finde ungerechterweise – als Karteileichen verunglimpften Kirchensteuerzahler, denn auch das ist ja in irgendeiner Form ein Bekenntnis.

Und auch an die, die sich bei Religion abwenden, deren Seele aber förmlich nach Aufpolieren und Streicheleinheiten schreit.

Und natürlich, bei dieser Aussaat der Botschaft vom menschenfreundlichen Gott, ihn weiterzusagen und zu geben mit Herz, Mund und Händen, da bin ich auch oft genug enttäuscht worden. Übrigens auch noch nach der Pensionierung.

Aber wenn mir manchmal einzelne Leute oder ganze Familien fast zugeflogen sind, mit denen ich nie gerechnet hätte, und die interessierten sich und machten mit und plötzlich war der Acker ein bisschen bunter und auch größer geworden, weil sie Spaten und Schere anpackten und das Dickicht mit mir lichten;

wenn ein paar Konfirmandinnen und Konfirmanden mal aushilfsweise in der Kinderkirche mitmachten und plötzlich voller Begeisterung hängenbleiben, und das jeden Sonntag, und ich merkte, wie gut denen das tut;

wenn anscheinend völlig Uninteressierte plötzlich nachfragten und forderten, und da ist so viel Reichtum zu entdecken;

oder auch, wenn nach einer Beerdigung plötzlich noch am Grab ein engagierter katholischer junger Mann mir zuflüsterte, wie gut ihm das gefallen und getan habe,

dann weiß ich: Ja, es hat sich gelohnt und es wird sich weiter lohnen, die Botschaft Jesu von einem menschenfreundlichen Gott unters Volk und in die Herzen der Menschen zu bringen.

Überall hin, und nicht nur dahin, wo ich meine, da lohnt es noch. Was ich für einen unchristlichen Gedanken halte. Und auch dahin, wo es weh tun kann. Hat uns keiner versprochen, dass dies Leben einfach ist. Und wer weiß, wofür es gut ist.

Und ich bitte Euch, das genauso zu sehen und zu handhaben. Im Kleinen wie im Großen. Gerade in einer Zeit, in man das Gefühl hat, denken sie an die Nachrichten, in der man das Gefühl hat, das wird alles zertrampelt, bevor es den Acker überhaupt erreicht hat. Und nochmal: wir müssen keine 100-prozentigen sein und wir müssen die Welt nicht retten. Aber mit uns wird sie gerettet.

Amen